Rz. 3
KVB und GKV-Spitzenverband vereinbaren in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag (koordinationsrechtlicher Vertrag) die Anforderungen an die technischen Verfahren zur telemedizinischen Videosprechstunde in der vertragsärztlichen Versorgung (Satz 1). Sie setzen sich dazu mit der gematik und der DGUV ins Benehmen (Vereinbarung über die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Videosprechstunde gemäß § 365 Absatz 1 SGB V v. 21.10.2016 i. d. F. v. 15.6.2022, www.kbv.de/media/sp/Anlage_31b_Videosprechstunde.pdf; abgerufen am 10.8.2022). Die Vereinbarung regelt die Anforderungen an die technischen Verfahren zur Durchführung von Videosprechstunden in der vertragsärztlichen Versorgung, insbesondere Einzelheiten hinsichtlich der Qualität und der Sicherheit sowie die Anforderungen an die technische Umsetzung. Die Videosprechstunde wird als synchrone Kommunikation zwischen einem Vertragsarzt und einem Patienten über die dem Patienten zur Verfügung stehende technische Ausstattung definiert. Es handelt sich um eine Online-Videosprechstunde in Echtzeit, die der Vertragsarzt dem Patienten anbieten kann. Videodienstanbieter sind Unternehmen, die Vertragsärzten Dienste zur Durchführung von Videosprechstunden anbieten.
Rz. 4
Soweit es sich bei der Online-Videosprechstunde in Echtzeit um die Übermittlung (und nachfolgende Verarbeitung und Nutzung) von personenbezogenen Daten im Zusammenhang mit der ärztlichen Behandlung eines Patienten handelt, reicht als allgemeine datenschutzrechtliche Grundlage hierfür die nach einer ausreichenden Information erteilte und auf einer freien Entscheidung des Patienten beruhende Einwilligung aus, die sich ausdrücklich auf die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung dieser personenbezogenen Daten für die ärztliche Behandlung beziehen muss (§ 4a BDSG; BT-Drs. 18/6905 S. 74).
Rz. 4a
Die Partner der Vereinbarung nach § 365 werden beauftragt, bei zukünftigen Anpassungen den geänderten Kommunikationsbedürfnissen der Versicherten Rechnung zu tragen und neben den bestehenden Regelungen für klassische Verfahren der Videosprechstunde auch weitere digitale Kommunikationsanwendungen auf mobilen Endgeräten zu berücksichtigen (Satz 2), die einen Zugang zur Videosprechstunde etwa in Form von Apps oder infolge eines Austauschs von Kurznachrichten ermöglichen (BT-Drs. 19/27652 S. 134). Zugleich sind weitere Versorgungsszenarien, wie etwa die Erbringung von Leistungen der Gruppenpsychotherapie im Rahmen der Videosprechstunde, bei der Fortschreibung zu berücksichtigen.
Rz. 4b
Mit der vorgesehenen Fortentwicklung des Dienstes KIM (Kommunikationsdienst im Medizinwesen; § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 15) wird dieser zukünftig auch die Durchführung von Videosprechstunden ermöglichen. Daher ist bei der Fortschreibung der Vereinbarung nach § 365 die Nutzung von KIM zu berücksichtigen, sobald entsprechende Funktionalitäten zur Verfügung stehen (Satz 3). Zur Vermeidung von Lock-in-Effekten können auch Videodienste Dritter als TI-Messenger zur Durchführung der Videosprechstunde angeboten werden, sobald die Technik verfügbar ist. Über die Einbindung des TI-Messengers in die Praxisverwaltungssysteme und das Zusammenspiel mit der elektronischen Patientenakte kann so für Ärzte wie für Patienten eine leichtere Handhabung und eine bessere Verknüpfung mit den sonstigen Versorgungsprozessen erreicht werden (BT-Drs. 20/9048 S. 130).
Rz. 5
§ 630e BGB ist zu beachten (Satz 4). Der Behandelnde hat den Patienten über sämtliche für die Einwilligung in die Behandlung wesentlichen Umstände aufzuklären. Die Aufklärung kann auch durch Telekommunikationsmittel erfolgen, solange diese den unmittelbaren sprachlichen Austausch zwischen dem Patienten und dem Behandelnden zulassen (BT-Drs. 19/13438 S. 70). Die Aufklärung erfolgt mündlich. Der Mündlichkeit genügende Telekommunikationsmittel sind z. B. das fernmündliche Gespräch, sowie die Videotelefonie und weitere sprach- und ggf. zusätzlich bildbasierte Möglichkeiten der Fernkommunikation. An frühere, auf der zivilrechtlichen höchstrichterlichen Rechtsprechung beruhende Bedenken, wonach die Aufklärung (nur) in einfach gelagerten Fällen auch fernmündlich erfolgen könne, hält der Gesetzgeber angesichts der rasant gestiegenen technischen Qualität und gesellschaftlichen Akzeptanz von Fernkommunikationsmitteln nicht mehr fest (Kania, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 365 Rz. 18, m. w. N.).
Rz. 6
Die Vereinbarung sowie Änderungen, Ergänzungen oder Anschlussverträge sind dem Bundesministerium für Gesundheit zur Prüfung vorzulegen (§ 369). Dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit und dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik sind Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Das Bundesministerium für Gesundheit kann die Vereinbarung innerhalb von einem Monat beanstanden.