Prof. Dr. Volker Wahrendorf
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift geht auf das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen – Gesundheitsreformgesetz v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) zurück. Nachdem der Gesetzgeber sein Vorhaben aufgegeben hat, den Arzneimittelmarkt im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung über eine Liste der verordnungsfähigen Arzneimittel zu steuern (vgl. Streichung des § 92a durch das Fünfte SGB V-ÄndG v. 15.12.1995, BGBl. I S. 1809, in Kraft ab 1.1.1996), ist der vor dem Inkrafttreten des GSG am 1.1.1993 gültig gewesene Rechtszustand wieder hergestellt worden.
Die Vorschrift ist in Abs. 2 zuletzt mit Art. 256 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung v. 31.10.2006 (BGBl. I S. 2407) mit Wirkung zum 8.11.2006 redaktionell angepasst worden.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die damalige Überlegung des Gesetzgebers, § 93 als Gesetzesvorschrift auslaufen zu lassen, sobald die Arzneimittel-Positivliste veröffentlicht ist, hat eine andere Wendung genommen als vom Gesetzgeber beabsichtigt. Die Positivliste wird es auch in Zukunft nicht geben, nachdem die parlamentarischen Vorbereitungen im Zuge des GKV-Modernisierungsgesetzes (GMG) v. 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190) wieder eingestellt wurden.
Stattdessen geht der Gesetzgeber weiterhin von einer "Negativliste" aus, die "Bagatell-Arzneimittel" und vom 1.1.2004 an nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel nach § 34 umfasst, deren Kosten im Rahmen der zumutbaren Eigenvorsorge von den Versicherten getragen werden müssen. Der in § 93 erteilte Auftrag, eine Liste der ausgeschlossenen Arzneimittel zu erstellen, ist vor dem Hintergrund des vom Gesetzgeber angeordneten und im Lauf der Zeit deutlich ausgeweiteten Ausschlusses von Arzneimitteln der vertragsärztlichen Versorgung in § 34 und den dazu ergangenen untergesetzlichen Vorschriften zu sehen (Wiegand, in: jurisPK-SGB V, § 93 Rz. 7). Bis heute ist nicht einmal eine Negativliste veröffentlicht worden, die der Vorschrift gerecht werden könnte (vgl. Hannes, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 93 Rz. 4). Von daher kann man der Auffassung zustimmen, dass die Vorschrift bedeutungslos ist.
2 Rechtspraxis
2.1 Übersicht über ausgeschlossene Arzneimittel (Abs. 1)
Rz. 3
In § 34 Abs. 1 sind Arzneimittel genannt, deren Verordnung gesetzlich ausgeschlossen ist. Darüber hinaus hat der damals noch zuständige Bundesminister für Arbeit und Gesundheit nach dem in § 34 Abs. 3 a. F. bestimmten Verfahren die Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der GKV v. 21.2.1990 (BGBl. I S. 301) als Rechtsverordnung erlassen, die in abstrakter Form in ihrer Anlage 1 unwirtschaftliche und in Anlage 2 Arzneimittel aufführt, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist. Der Bundesgesundheitsminister hat am 1.10.1991 die durch diese Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel in einer Übersicht zusammengefasst und sie als Beilage zum BAnz v. 1.10.1991 veröffentlicht; am 3.3.1992 ist diese Übersicht nochmals geändert worden (BAnz Nr. 32 v. 3.3.1992). Durch das GMG sind mit Wirkung ab 1.1.2004 die nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel (OTC-Präparate – "over the counter"–Arzneimittel) von der Versorgung nach § 31 ausgenommen worden. Bis 31.3.2004 sollte der Gemeinsame Bundesausschuss in den Arzneimittel–Richtlinien festlegen, welche OTC-Mittel, die bei schwerwiegenden Erkrankungen als Therapiestandard gelten, weiterhin zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden können.
Auch der Markt der "Bagatell-Arzneimittel" entwickelt sich weiter, neue Präparate kommen auf den Markt oder vorhandene Mittel werden unter neuen Markennamen kombiniert. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliegt es daher, den Markt zu beobachten und in regelmäßigen Zeitabständen eine neue Übersicht über die von der Verordnung ausgeschlossenen Arzneimittel zu erstellen. Sobald die neue Übersicht im Bundesanzeiger veröffentlicht ist, haben sich die Beteiligten an der vertragsärztlichen Versorgung danach zu richten. Um den Informationswert der Übersicht für die Vertragsärzte und die Krankenkassen zu erhöhen, sind die ausgeschlossenen Arzneimittel nach Indikationsgebieten geordnet.
Die Bezugnahme auf die Indikationen schließt jedoch nicht aus, dass auch Arzneimittel, die üblicherweise als "Bagatellmittel" angesehen werden, bei bestimmten Indikationen dennoch zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden dürfen.
Würde der Gemeinsame Bundesausschuss seiner Verpflichtung, die Übersicht in regelmäßigen Zeitabständen zu überprüfen und ggf. neu herauszugeben, nicht nachkommen, kann das nunmehrige BMG seit Inkrafttreten des GSG am 1.1.1993 im Wege der Ersatzvornahme handeln. Es stellt dann selbst die Übersicht über ausgeschlossene Arzneimittel zusammen und veröffentlicht diese im BAnz. Die Ersatzvornahme schließt eine Regelungslücke, weil vorher die Sozialgerichtsbarkeit auf die Klagen mehrerer Arzneimittelhersteller entschieden hatte, dass nur der Gemeinsame Bundesausschuss die Übersicht zusammenstellen und veröffentlichen dürfe.
2.2 Ersatzvornahme (Abs. 2)
Rz. 4
Abs. 2 ermächtigt das BMG zu einer zukünftigen Zusammenstellung und Bekanntmachung der Arzneimittelübersicht. Voraussetzung ist, dass ein entsprechend...