Rz. 20
Um auszuschließen, dass sich der Arbeitgeber seiner finanziellen Verpflichtungen wegen der Schwangerschaft/Entbindung entzieht, darf er das Arbeitsverhältnis einer Frau während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung nicht kündigen. Gleiches gilt bei einer Fehlgeburt, die nach Ablauf der 12. Schwangerschaftswoche eintrat (§ 17 Abs. 1 MuSchG).
Nimmt die junge Mutter im Anschluss an die Entbindung die Elternzeit in Anspruch, gilt das Kündigungsverbot des Arbeitgebers sogar während der gesamten Elternzeit (bis 3 Jahre nach der Entbindung; vgl. § 18 i. V. m. § 15 Abs. 2 BEEG). In diesem Fall gilt für die Zeit nach der Entbindung das 4-monatige Kündigungsverbot des § 17 MuSchG parallel neben dem des § 18 BEEG.
Das Kündigungsverbot aus § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 MuSchG i. V. m. § 134 BGB beginnt bei natürlicher Empfängnis 280 Tage vor dem voraussichtlichen Entbindungstermin (BSG, Urteil v. 24.11.2022, 2 AZR 11/22). Das Kündigungsverbot gegenüber einer schwangeren Arbeitnehmerin gilt auch für eine Kündigung vor der vereinbarten Tätigkeitsaufnahme (BAG, Urteil v. 27.2.2020, 2 AZR 498/19).
Auch während der Probezeit besteht grundsätzlich der Kündigungsschutz; in diesem Fall darf einer schwangeren Arbeitnehmerin bis zum Ablauf von 4 Monaten nach der Entbindung nicht gekündigt werden – und zwar auch dann, wenn der Arbeitgeber behauptet, dass die Frau für den Arbeitsplatz nicht geeignet ist.
Eine Frau nimmt ein Arbeitsverhältnis am 1.1. auf. Die Probezeit endet am 30.6. Am 25.5., also noch während der Probezeit, informiert die Frau ihren Arbeitgeber darüber, dass sie seit dem 20.2. schwanger ist.
Der Arbeitgeber kann das Arbeitsverhältnis der Frau erst kündigen, wenn 4 Monate nach der tatsächlichen Entbindung vergangen sind (§ 17 Abs. 1 MuSchG). Nach Ablauf der 4 Monate sind die dann zum Zeitpunkt der Aussprache der Kündigung geltenden Kündigungsfristen (vgl. z. B. § 622 BGB) zu beachten – es sei denn, der Arbeitgeber darf einer Frau ausnahmsweise fristlos kündigen.
Die 4-Monats-Frist verlängert sich längstens bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Kind 3 Jahre alt wird. Voraussetzung ist, dass die junge Mutter rechtzeitig (vgl. hierzu § 16 BEEG) eine Erziehungszeit bei ihrem Arbeitgeber beantragt hat.
Wenn sich eine Arbeitnehmerin, der vom Arbeitgeber unrechtmäßig gekündigt wurde, gegen die Unwirksamkeit einer Kündigung nicht wehrt, gilt die Kündigung nach Ablauf der Klagefrist als wirksam (Fiktion des § 7 KSchG).
Rz. 21
Eine Kündigung i. S. d. § 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG liegt nicht vor, wenn das Arbeitsverhältnis durch
- vertragliche Auflösung (z. B. Auflösungsvertrag bzw. unterzeichnete Ausgleichsquittung; vgl. BAG, Urteile v. 10.5.1984, 2 AZR 112/83, und v. 27.2.2020, 2 AZR 498/19) oder
- Zeitablauf (z. B. Zeitarbeitsvertrag oder Beendigung des Ausbildungsverhältnisses wegen Bestehens der Abschlussprüfung) oder
- Kündigung seitens der Arbeitnehmerin
endet. In diesen Fällen endet das Arbeitsverhältnis nicht wegen der Kündigung durch den Arbeitgeber, sodass es ohne besondere Zustimmung einer Aufsichts- bzw. Landesbehörde zu einer rechtswirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses kommt. Es handelt sich in diesen Fällen nicht um eine zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses, obwohl das Arbeitsverhältnis jeweils rechtskräftig endet.
Im Fall einer Abwehraussperrung handelt es sich nicht um eine zulässige Auflösung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber, da das Arbeitsverhältnis vielmehr bestehen bleibt. Nach dem Ende des Arbeitskampfes ist der Arbeitgeber verpflichtet, eine ausgesperrte Frau, die im Zeitpunkt der Aussperrung unter Mutterschutz stand, wieder einzustellen (BAG, Urteil v. 25.1.1963, 1 AZR 288/62; BAG, Urteil v. 21.4.1971, GS 1/68).
Gleiches gilt bei Streik oder anderen Arbeitskampfmaßnahmen; sie führen i. d. R. nicht zu einer zulässigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses.
Spricht ein Arbeitgeber eine Kündigung in Unkenntnis der Schwangerschaft aus, gilt das Arbeitsverhältnis als beendet, wenn die Frau auch nach Erhalt der Kündigung dem Arbeitgeber die Schwangerschaft schuldhaft nicht innerhalb von 2 Wochen mitteilt (§ 17 Abs. 1 Satz 1 MuSchG). Länger als 2 Wochen kann die Frau nicht warten, um dem Arbeitgeber die Schwangerschaft mitzuteilen, es sei denn, die weitere Verzögerung beruht auf einem von der Frau nicht zu vertretenden Grund (z. B. die Frau erfährt von der Schwangerschaft unverschuldet selbst erst nach Ablauf der 14-tägigen Frist; vgl. hierzu EuGH, Urteil v. 27.6.2024, C-284/23). In diesem Fall muss diese Mitteilung nunmehr "unverzüglich" nachgeholt werden (§ 17 Abs. 1 Satz 2 MuSchG). Im Streitfall ist die Arbeitnehmerin darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass sie die Frist ohne ihr Verschulden versäumt hat (vgl. BAG, Urteil v. 13.1.1982, 7 AZR 764/79). Nimmt der Arbeitgeber die Kündigung nicht zurück, kann die Frau eine Kündigungsschutzklage einreichen. Bezüglich der für die Kündigungsschutzklage einzuhaltenden Fristen wird auf das Urteil des EuGH (a....