Rz. 28
Im Hinblick auf § 24i Abs. 1 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 wird Mutterschaftsgeld nur gezahlt, wenn die werdende bzw. junge Mutter bei Eintritt des "das Mutterschaftsgeld auslösenden Ereignisses" – früher auch als Versicherungsfall bezeichnet – nicht nur Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse ist, sondern gleichzeitig auch in einem Arbeits-/Heimarbeitsverhältnis steht. Alternativ reicht es auch aus, wenn das Arbeitsverhältnis der werdenden bzw. jungen Mutter während der Schwangerschaft oder nach der Entbindung (bis zur Beendigung der Schutzfrist) zulässig i. S. d. § 17 MuSchG aufgelöst wurde.
Die nachfolgenden Unterpunkte befassen sich mit der Bestimmung des "das Mutterschaftsgeld auslösenden Tatbestandes":
2.2.4.1 Beginn der Schutzfrist bei bestehendem Arbeits-/Heimarbeitsverhältnis
Rz. 29
Voraussetzung für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld ist eine Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse und ein bestehendes Arbeitsverhältnis bei Beginn des leistungsauslösenden Tatbestandes. Als leistungsauslösender Tatbestand gilt u. a. der Beginn der Schutzfrist i. S. d. § 3 MuSchG (vgl. Rz. 6).
Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 MuSchG dürfen werdende Mütter in den letzten 6 Wochen vor der Entbindung nicht beschäftigt werden (es sei denn, dass sie sich zur Arbeitsleistung ausdrücklich bereit erklären). Für die Berechnung der Schutzfrist vor der Entbindung ist das Zeugnis eines Arztes oder einer Hebamme (bzw. eines Entbindungspflegers) maßgebend, das den mutmaßlichen Tag der Entbindung angibt (§ 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG i. V. m. §§ 187 ff. BGB). Ob dieses Zeugnis zu Beginn oder eher gegen Ende der Schwangerschaft ausgestellt wurde, ist unbedeutend.
Rz. 30
Der Beginn der 6. Woche vor der Entbindung wird vom voraussichtlichen Entbindungstag aus berechnet. Dieser wird von einem Arzt nachgewiesen. Der Entbindungstag gilt verfahrenstechnisch als Ereignistag, weil die Entbindung irgendwann im Laufe eines Tages erfolgt. Da bei der Berechnung von Fristen immer nur ganze bzw. vollständige Tage berücksichtigt werden können, wird der Ereignistag nicht mit in die Frist eingerechnet (vgl. §§ 187 ff. BGB). Als Beginn der 6. Woche vor der Entbindung gilt somit immer der 42. Tag vor dem Tag der voraussichtlichen Entbindung.
Laut ärztlicher Bescheinigung soll eine Arbeitnehmerin voraussichtlich am 9.12. entbinden.
Rechtsfolge:
Die Schutzfrist beginnt am 28.10. (= 42 Tage vor dem 9.12.). An diesem Tag muss u. a. eine Mitgliedschaft bei einer gesetzlichen Krankenkasse bestehen, damit die Frau Mutterschaftsgeld vom Beginn der Schutzfrist an beanspruchen kann.
Rz. 31
Zur Bestimmung des Beginns der Schutzfrist ist die dem Arbeitgeber nach § 3 Abs. 1 Satz 3 MuSchG vorliegende Bescheinigung maßgebend. In der Regel handelt es sich bei der Bescheinigung – auch Zeugnis genannt – um den vom Arzt ausgefüllten Vordruck "Muster 3 der Vereinbarung über Vordrucke für die vertragsärztliche Versorgung". Dieser wird doppelt oder in Durchschreibtechnik ausgestellt und ist sowohl für den Arbeitgeber (1. Blatt des Vordrucks) als auch für die Krankenkasse (2. Blatt) bestimmt. Mithilfe dieses Vordruckes ist somit der Tag der voraussichtlichen Entbindung, der dem Arbeitgeber und der Krankenkasse mitgeteilt wird, identisch. Es ist aber auch möglich, dass zwecks Berechnung der Schutzfrist der Tag der voraussichtlichen Entbindung auf einer anderen oder formlosen Bescheinigung erfolgt.
Noch 2 kurze Hinweise:
- Der Vordruck "Muster 3" darf immer nur vom Arzt ausgestellt werden – und zwar nur aufgrund einer ärztlichen Untersuchung der Schwangeren. Dagegen sind Hebammen auch berechtigt, für den Arbeitgeber (individuelle) Bescheinigungen über den voraussichtlichen Tag der Entbindung auszustellen (§ 3 Abs. 1 Satz 2, § 15 Abs. 2 MuSchG) – aber dann auf anderen Vordrucken oder auf individuellen Schreiben.
- Männliche Hebammen hießen bis zum Jahr 2019 "Entbindungspfleger". Durch das Gesetz zur Reform der Hebammenausbildung wurde die Regelung mit den Entbindungspflegern zum 1.1.2020 aufgehoben. Die Berufsbezeichnung "Hebamme" gilt jetzt gemäß § 3 HEbG für alle Berufsangehörigen – egal ob weiblich, männlich oder divers. Nachstehend wird deshalb nur noch der Begriff der Hebamme benutzt.
Wurden der Krankenkasse und dem Arbeitgeber vom Arzt oder der Hebamme ausnahmsweise unterschiedliche Entbindungstermine bescheinigt, ist für die Berechnung der Schutzfrist immer von dem Zeugnis auszugehen, das dem Arbeitgeber ausgehändigt wird. Der Grund: Die Schutzfrist ist arbeitsrechtlicher – also privatrechtlicher – und nicht sozialversicherungsrechtlicher (öffentlich-rechtlicher) Natur. Liegen dem Arbeitgeber mehrere Bescheinigungen vor, ist die aktuellste dieser Bescheinigungen zur Berechnung des Beginns der Schutzfrist heranzuziehen (GR v. 6./7.12.2017 i. d. F. v. 13.3.2024, Abschn. 9.2.1.1).
Das dem Arbeitgeber ausgehändigte Zeugnis über den voraussichtlichen Entbindungstag wurde von der Hebamme bereits zu Beginn der Schwangerschaft ausgestellt. Danach soll die Frau am 9.10. entbinden. Der Krankenkasse liegt eine andere Bescheinigung vor, welche wesent...