2.6.2.1 Überblick
Rz. 114
Nach § 20 Abs. 1 MuSchG entspricht die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld dem Unterschied zwischen dem Höchstbetrag des Mutterschaftsgeldes von 13,00 EUR kalendertäglich und dem um die gesetzlichen Abzüge verminderten durchschnittlichen kalendertäglichen Arbeitsentgelt während der letzten 3 abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist (Bemessungszeitraum). Eine Begrenzung des Zuschusses findet auch bei einem hohen Verdienst der Arbeitnehmerin nicht statt.
Die zur Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld nach § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG zugrunde zu legenden "letzten drei abgerechneten Kalendermonate vor Beginn der Schutzfrist vor der Entbindung" können ggf. zeitlich weit zurückliegen, wenn im unmittelbaren Anschluss an die Inanspruchnahme der Elternzeit wegen des "ersten" Kindes der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld für das "zweite" Kind zu zahlen ist. Wenn also eine Frau wegen der Elternzeit seit der Geburt des "ersten" Kindes nicht mehr gearbeitet hat, gilt als Grundlage für die Berechnung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld das Arbeitsentgelt der 3 letzten Kalendermonate vor der Elternzeit (BAG, Urteil v. 19.5.2021, 5 AZR 378/20).
Soweit zur Bestimmung des Bemessungszeitraums. Jetzt zur Ermittlung der Höhe des Nettoarbeitsentgelts: Nach § 21 Abs. 4 MuSchG wirken sich nicht nur vorübergehende Änderungen des Nettoarbeitsentgelts während des Bemessungszeitraums und/oder während der Schutzfristen (z. B. wegen Gehaltsänderung, Wechsel der Steuerklasse, Veränderung der Arbeitszeit) ab ihrem Wirksamwerden sofort aus ("Gegenwartsprinzip"). Eine Frau, die Mutterschaftsgeld bezieht, soll deshalb gegenüber einer weiter arbeitenden Frau, die keine Schutzfrist hat, nicht benachteiligt werden. Einzelheiten und Hintergründe ergeben sich aus der Kommentierung zu Rz. 115.
Bei tariflichen Jahresarbeitszeitmodellen mit saisonal stark schwankender variabler Vergütung kann der Bemessungszeitraum für die Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld i. S. d. § 20 Abs. 1 Satz 2 MuSchG ausnahmsweise extensiv dahingehend ausgedehnt werden, dass zur Ermittlung eines gerechten Zuschusses zum Mutterschaftsgeld auf das durchschnittliche Arbeitsentgelt eines 12-monatigen Referenzzeitraumes abgestellt werden kann (BAG, Urteil v. 31.5.2023, 5 AZR 305/22; vgl. auch LAG Köln, Urteil v. 28.8.2024 – 5 SLa 45/24).
Eine Kellnerin arbeitet in der Gaststätte eines Skiorts nach Bedarf (Auslastung). Im Winter arbeitet sie erfahrungsgemäß mehr als im Sommer. Ihre Schutzfrist beginnt am 20.5.
Rechtsfolge:
Um Unbilligkeiten zu vermeiden, bietet es sich an, dass bei der Ermittlung der Höhe des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld ein Bemessungs-/Referenzzeitraum von 12 Monaten zugrunde gelegt wird.
Der vom Arbeitgeber zu leistende Zuschuss zum Mutterschaftsgeld ist steuerfrei (§ 3 Nr. 1d EStG) sowie beitragsfrei in der Sozialversicherung (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 SvEV). Allerdings ist bei dem Zuschuss zum Mutterschaftsgeld der Progressionsvorbehalt nach § 32b Abs. 1 und 2 EStG anzuwenden; dieser erhöht die auf das Kalenderjahr bezogene prozentuale Steuerlast der Arbeitnehmerin.
Der arbeitsrechtliche Anspruch auf den Zuschuss nach § 20 Abs. 1 MuSchG ist gegenüber dem Arbeitgeber geltend zu machen. Es gilt die 3-jährige Verjährungsfrist des § 195 BGB, wobei dort ggf. arbeits- oder tarifvertragliche Besonderheiten zu beachten sind. Bei Frauen, deren Arbeitsverhältnis i. S. d. § 17 Abs. 2 MuSchG aufgelöst wurde, hat die Krankenkasse, die das Mutterschaftsgeld zahlt, den Zuschuss zu zahlen.
Damit der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld den Arbeitgeber finanziell nicht belastet, gibt es das "Umlageverfahren U2" (Mutterschaft). Aus dem U2-Verfahren erhalten Arbeitgeber 100 % des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld von der für die Arbeitnehmerin zuständigen Krankenkasse erstattet (§ 1 Abs. 2, § 2 des Aufwendungsausgleichsgesetzes – AAG). Dazu werden Beiträge – die Umlage – von allen Arbeitgebern erhoben, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis beschäftigen (einschließlich Auszubildende und geringfügig Beschäftigte i. S. d. § 8 SGB IV) – und zwar auch, wenn sie nur männliche Arbeitnehmer im Betrieb beschäftigt sind. Im Gegensatz zum "Umlageverfahren U1" (Arbeitsunfähigkeit) spielt die Anzahl der im Betrieb Beschäftigten beim U2-Verfahren keine Rolle. Eine Krankenkasse ist nicht befugt, durch Satzung die Höhe der Erstattung des Zuschusses zum Mutterschaftsgeld (U2) zu beschränken (BSG, Urteil v. 13.12.2011, B 1 KR 7/11 R).
2.6.2.2 (Netto-)Arbeitsentgelt
Rz. 115
Das Mutterschutzgesetz ist ein arbeitsrechtliches Gesetz, weil es das Beziehungsgeflecht zwischen der schwangeren Arbeitnehmerin bzw. der jungen Mutter und dem Arbeitgeber regelt. Deshalb richtet sich der Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach der arbeitsrechtlichen Definition von Arbeitsentgelt. Zum arbeitsrechtlichen Arbeitsentgelt rechnet jede geldwerte Gegenleistung des Arbeitgebers für die Erfüllung der arbeitsvertraglichen Pflichten durch die Arbeitnehmerin im Bemessung...