2.8.3.1 Überblick
Rz. 145
Nach § 24i Abs. 3 Satz 1 ist Mutterschaftsgeld nicht nur für die Zeit vor und nach der Entbindung zu zahlen, sondern auch für den Entbindungstag.
Als Entbindung ist die Trennung des Kindes vom Mutterleib zu verstehen, wobei entweder
- das Herz geschlagen oder
- die Nabelschnur pulsiert oder
- die natürliche Lungenatmung eingesetzt
haben muss (= Merkzeichen einer Lebendgeburt; vgl. § 31 Abs. 1 der Verordnung zur Ausführung des Personenstandsgesetzes – PStV). Ansonsten handelt es sich um eine Totgeburt, die aber bei einem Gewicht von mindestens 500 Gramm oder ab der 24. Schwangerschaftswoche auch eine Entbindung i. S. d. § 24i Abs. 3 darstellt (Rz. 146).
Zur Beantragung des Mutterschaftsgeldes für den Entbindungstag (und für die Zeit danach) hat die Versicherte eine von der Stadt-/Gemeindeverwaltung ausgestellte Geburtsbescheinigung mit dem Zusatz "nur für Zwecke der Sozialversicherung" (oder ähnlich) einzureichen.
Werden die Kinder bei einer Mehrlingsgeburt an unterschiedlichen Tagen geboren, gibt es mehrere Entbindungstage. Einzelheiten hierzu vgl. Rz. 146a.
Bezüglich des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld bei einer vertraulichen Geburt vgl. Rz. 137a.
2.8.3.2 Totgeburt
Rz. 146
Als Entbindung gilt auch die Geburt eines totgeborenen Kindes ("Totgeburt"),
- wenn das Gewicht des Kindes mindestens 500 Gramm beträgt oder
- wenn – für Geburten ab dem 1.11.2018 – die 24. Schwangerschaftswoche erreicht wurde
(§ 31 Abs. 2 PStV).
Liegt keines dieser Merkmale vor, handelt es sich um eine Fehlgeburt. In diesem Fall kann die Frau kein Mutterschaftsgeld beanspruchen (vgl. auch BAG, Urteil v. 16.2.1973, 2 AZR 138/72). In der Regel ist nach einer Fehlgeburt von der Krankenkasse für die Zeit der anschließenden Arbeitsunfähigkeit Krankengeld zu zahlen.
Eine Fehlgeburt wird nicht im Personenstandsregister beurkundet. Sie kann von einer Person, der bei einer Lebendgeburt die Personensorge zugestanden hätte, dem Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich die Fehlgeburt erfolgte, angezeigt werden. In diesem Fall erteilt das Standesamt dem Anzeigenden auf Wunsch eine Bescheinigung mit einem entsprechendem Formular (§ 31 Abs. 2 PStV). Für die Krankenkasse hat dieses ausgefüllte Formular keine Bedeutung, weil dadurch kein Anspruch auf Mutterschaftsgeld ausgelöst wird.
Eine Fehlgeburt ist allerdings abweichend von § 31 Abs. 2 Satz 2 PStV als Totgeburt zu beurkunden, wenn sie Teil einer Mehrlingsgeburt ist, bei der mindestens ein Kind
- lebend geboren wird oder
- mehr als 500 Gramm wiegt oder
- die 24. Schwangerschaftswoche erreicht
(vgl. § 31 Abs. 3 PStV). Werden bei Mehrlingen die Totgeburt und die Lebendgeburt an unterschiedlichen Tagen geboren (z. B. weil die tote Leibesfrucht früher geholt wird), gelten die Ausführungen in Rz. 146a.
Hinsichtlich des Anspruchs auf Mutterschaftsgeld bei einer Totgeburt mit den Anzeichen einer Frühgeburt vgl. Rz. 148 f.
2.8.3.3 Mehrlingsgeburt: Kinder an verschiedenen Tagen geboren
Rz. 146a
Werden Kinder bei einer Mehrlingsgeburt an verschiedenen Tagen geboren, so ist jeder dieser Tage als Entbindungstag zu werten. Das ist auch der Fall, wenn ein Mehrling zu einem früheren Zeitpunkt als der andere Mehrling/die anderen Mehrlinge aufgrund von Komplikationen tot geboren wird und aufgrund des Gewichts bzw. des Erreichens der 24. Schwangerschaftswoche die Merkmale einer Totgeburt (Rz. 146) aufweist. Nach dem GR v. 06.12.2017-II i.d.F. v. 23.03.2022, Abschn. 9.4.5, gilt für die Beurteilung der Anspruchsdauer auf Mutterschaftsgeld folgende Regelung:
"Wird der erste Mehrling vor Beginn der Schutzfrist geboren, besteht für diesen Tag ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld als Entbindungstag. Daran schließt sich grundsätzlich der Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die Zeit nach der Entbindung an (§ 24i Abs. 3 Satz 2 SGB V) und danach wäre generell die Schutzfrist zu gewähren, die vor der Entbindung nicht in Anspruch genommen werden konnte (§ 24i Abs. 3 Satz 3 SGB V). Die Zeiten der Mutterschaftsgeldzahlung zwischen den einzelnen Mehrlingsgeburten sind jedoch nicht auf die Zeiten der Schutzfristen/Mutterschaftsgeldzahlungen vor oder nach der Geburt anzurechnen. Dies entspricht dem Vorgehen in § 24i Abs. 3 Satz 5 SGB V, wonach sich die Bezugsdauer des Mutterschaftsgeldes bei Entbindungen nach dem voraussichtlichen Tag der Entbindung bis zum Tag der Entbindung verlängert. Demnach besteht für den Tag der Geburt des zweiten Mehrlings/der weiteren Mehrlinge erneut ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld für den Entbindungstag. Daran schließt sich der 12-wöchige Anspruch auf Mutterschaftsgeld für die Zeit nach der Entbindung sowie der vor der Entbindung nicht in Anspruch genommene – hier 6-wöchige – Zeitraum der Zahlung des Mutterschaftsgeldes für die Zeit vor der Entbindung an."
Die Versicherte, die als Arbeitnehmerin Mutterschaftsgeld beanspruchen kann, ist mit Zwillingen schwanger. Die voraussichtliche Entbindung soll am 24.8. sein. Die Schutzfrist nach § 3 Abs. 1 MuSchG beginnt somit 6 Wochen vorher, also am 13.7.
Wegen Komplikationen stirbt ein Zwilling im Mutterleib und wird mit einem Gewicht von 680 Gram...