2.1 Anspruchsvoraussetzungen (Abs. 1 Satz 1 und 2)
Rz. 6
Grundlegende Voraussetzung des Anspruchs einer/eines Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung auf außerklinische Intensivpflege ist ein besonders hoher Bedarf an medizinischer Behandlungspflege (Abs. 1 Satz 1). Dieser liegt nach der gesetzlichen Interpretation in Abs. 1 Satz 2 vor, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegefachkraft erforderlich ist. Zur näheren Konkretisierung des Begriffs war bis zum Erlass der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach Maßgabe von § 37c Abs. 1 Satz 8 auf die Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL) in der aktuellen Fassung v. 17.9.2020 (abrufbar im Internet auf der Homepage des Gemeinsamen Bundesausschusses unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-2307/HKP-RL_2020-09-17_iK-2020-12-05.pdf; abgerufen am 15.3.2021) zurückzugreifen. Darin hatte der Gemeinsame Bundesausschuss zur Verordnung von Behandlungspflege für Versicherte in Pflegeheimen unter Geltung der Ausnahmeregelung in § 37 Abs. 2 Satz 3 einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege dann angenommen, wenn die ständige Anwesenheit einer geeigneten Pflegefachkraft zur individuellen Kontrolle und Einsatzbereitschaft oder ein vergleichbar intensiver Einsatz einer Pflegekraft erforderlich ist, insbesondere weil
- behandlungspflegerische Maßnahmen in ihrer Intensität oder Häufigkeit unvorhersehbar am Tag und in der Nacht erfolgen müssen oder
- die Bedienung und Überwachung eines Beatmungsgerätes i. S. d. Nr. 8 der Anlage am Tag und in der Nacht erforderlich ist.
Es kam somit bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen nicht alleine auf das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein eines Tracheostomas an (so ausdrücklich auch in amtl. Begründung in BT-Drs. 19/19368 S. 27).
Rz. 7
Am 1.8.2022 ist die Richtlinie über die Verordnung außerklinischer Intensivpfllege (AKI-RL) v. 19.11.2021 (in der aktuellen Fassung unter https://www.g-ba.de/downloads/62-492-3230/AKI-RL_2023-07-20_iK-2023-09-15.pdf) in Kraft getreten; zu den Anforderungen vgl. Rz. 14.
2.2 Anspruchsumfang (Abs. 1 Satz 3)
Rz. 8
Der Anspruch auf Behandlungspflege erfasst alle Pflegemaßnahmen, die zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sind. Damit werden die Maßnahmen der Behandlungssicherungspflege erfasst, die durch eine bestimmte Erkrankung verursacht werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern (BSG, Urteil v. 30.10.2001, B 3 KR 27/01 R, Rz. 22, m. w. N.; vgl. im Übrigen die ausführliche Kommentierung zu § 37 Abs. 2 Rz. 14 ff.). Erfasst werden nur diejenigen Pflegemaßnahmen, die eine medizinische Hilfeleistung darstellen, wie Injektionen, Verabreichung von Medikamenten, Einläufe und Spülungen, Dekubitusbehandlungen, Anlegen und Wechseln von Verbänden u.Ä. Unerheblich ist, ob diese Hilfeleistungen von Laien oder qualifiziertem medizinischem Hilfspersonal ausgeführt werden. Der Begriff der Erforderlichkeit ist ebenso wie in § 37 Abs. 2 aus dem systematischen Verständnis der Norm im Sinn einer in hohem Grad bestehenden Zweckmäßigkeit und Notwendigkeit zu interpretieren: Ohne die Maßnahme müsste der ärztliche Behandlungserfolg mit hoher Wahrscheinlichkeit entfallen. Wegen der Leistungsinhalte der außerklinischen Intensivpflege im Einzelnen wird auf die eingehende Regelung in § 3 AKI-RL verwiesen.
Rz. 9
Neben der Behandlungssicherungspflege umfasst der Anspruch auch eine Beratung der Versicherten durch die Krankenkasse, die sämtliche für die Versorgung der Versicherten bedeutsamen Aspekte umfasst. Dazu gehört insbesondere auch eine Beratung zur Auswahl eines geeigneten Leistungsorts nach Abs. 2.
2.3 Ärztliche Verordnung (Abs. 1 Satz 4 und 5)
Rz. 10
Nach Abs. 1 Satz 4 bedarf die Leistung der Verordnung (§ 15 Abs. 1 Satz 2) durch eine Vertragsärztin oder einen Vertragsarzt, die oder der für die Versorgung dieser Versicherten besonders qualifiziert ist. Dies sind insbesondere Fachärztinnen und Fachärzte für Innere Medizin und Pneumologie sowie Fachärztinnen und Fachärzte für Kinder- und Jugendmedizin mit der Zusatzweiterbildung Kinder- und Jugend-Pneumologie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen, ferner Fachärzte für Anästhesiologie/Anästhesie, Fachärzte für Neurologie oder Fachärzte mit der Zusatzbezeichnung Intensivmedizin. Vertragsärztinnen und Vertragsärzten gleichgestellt und mitumfasst, sind alle zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 Abs. 1 berechtigten besonders qualifizierten ärztlichen Leistungserbringer. Hierzu gehören neben Medizinischen Versorgungszentren insbesondere auch ermächtigte Krankenhausärztinnen und -ärzte sowie Einrichtungen, die ermächtigt werden, weil die ärztliche Versorgung der Versicherten ohne sie nicht sichergestellt wäre (BT-Drs. 19/19368 S. 27).§ 9 AKI-RL beschreibt die Anforderungen an die...