Prof. Dr. Volker Wahrendorf
2.1 Rechtliche Einordnung der Bedarfsplanung (§ 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1)
Rz. 10
Die Vorschrift ist Teil des Vierten Kapitels SGB V, Achter Titel Zweiter Abschnitt, der mit Bedarfsplanung, Unterversorgung, Überversorgung überschrieben ist. Zum Achten Titel gehören insgesamt folgende Vorschriften:
§ 99 (Bedarfsplanung),
§ 100 (Unterversorgung),
§ 101 (Überversorgung),
der inzwischen aufgehobene § 102 (Bedarfszulassung),
§ 103 (Zulassungsbeschränkungen),
§ 104 (Verfahren bei Zulassungsbeschränkungen) und
§ 105 (Förderung der vertragsärztlichen Versorgung),
die alle mit der Bedarfsplanung und deren Auswirkungen im Zusammenhang stehen.
Im Einzelnen enthalten § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 sowie die Sätze 2 und 4 bis 12 ausdifferenzierte Regelungen zur Ermittlung des bedarfsgerechten Versorgungsgrades. Die Bedarfsplanung beruht auf Verhältniszahlen (§ 8 f. Bedarfsplanungs-Richtlinie) und der Aufteilung in Planungsbereiche. Bei den Festlegungen hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein Gestaltungsermessen (BSG, Urteil v. 28.6.2000, B 6 KA 35/99 R; zur Überversorgung: BSG, Urteil v. 27.1.2021, B 6 KA 27/19 R). Räumliche Grundlage für die Ermittlungen zum Stand der vertragsärztlichen sowie für die Feststellung der Überversorgung oder Unterversorgung ist der Mittelbereich, die kreisfreie Stadt, der Landkreis, die Kreisregion oder Raumordnungsregion in der Zuordnung des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumordnung bzw. der von der KV umfassten Bereiche (Planungsbereich; § 101 Abs. 1 Satz 6; §7 Bedarfsplanungs-Richtlinie). § 8 Bedarfsplanungs-Richtlinie regelt die Festlegung und Ausweisung von Verhältniszahlen im Sinn der Bestimmung arztgruppenbezogener Arzt-Einwohner-Verhältnisse. Sie bilden den Referenzpunkt für den bundesweiten Rahmen zur Sicherstellung einer bedarfsgerechten vertragsärztlichen Versorgung. § 101 Abs. 1 Satz 8 ermöglicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss innerhalb einzelner Arztgruppen nach Fachgebieten, Facharztkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen differenzierte Mindest- oder Höchstversorgungsanteile für Ärzte dieser Fachgebiete oder für Ärzte mit entsprechenden Fachkompetenzen oder Schwerpunktkompetenzen festzulegen.
Von bedarfsgerecht ist zu sprechen, wenn Leistungen am jeweiligen Bedarf der Versicherten ausgerichtet sind. Zur Beurteilung gehört auch die Prüfung, ob andere Leistungserbringer schon in ausreichendem Maß die infrage stehenden Leistungen erbringen (BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 6 KA 5/13 R; Beschluss v. 29.6.2022, B 6 KA 19/21 B).
Weitere Rechtsgrundlagen für die Bedarfsplanung stellen § 92 Abs. 1 Nr. 9 i. V. m. Abs. 7e (Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Bedarfsplanung mit Antrags- und Mitberatungsrecht der Bundesländer) und die vom BMG als Rechtsverordnungen erlassenen Zulassungsverordnungen für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) und für Vertragszahnärzte (Zahnärzte-ZV) dar, welche nach § 98 Abs. 2 Nr. 8 die Aufstellung, Abstimmung, Fortentwicklung und Auswertung der für die mittel- und langfristige Sicherstellung der vertrags(zahn-)ärztlichen Versorgung erforderlichen Bedarfspläne sowie die hierbei notwendige Zusammenarbeit mit anderen Stellen, deren Unterrichtung und die Beratung in den Landesausschüssen der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen regeln. Diese Regelungen ergeben sich aus Abschnitt III (Bedarfsplanung), IV (Unterversorgung) und IVa (Überversorgung) der Ärzte-ZV sowie Abschnitt III (Bedarfsplanung) und Abschnitt IV (Unterversorgung) der Zahnärzte-ZV. Der Abschnitt IVa (Überversorgung) ist in der Zahnärzte-ZV weggefallen.
Nach § 99 Abs. 1 SGB V i. V. m. § 12 Abs. 2 Satz 1 Ärzte-ZV z. B. ist der regionale Bedarfsplan für den Bereich einer KV aufzustellen und der Entwicklung anzupassen. Damit erstreckt sich der regionale Bedarfsplan mit Ausnahme des Landes Nordrhein-Westfalen, wo es 2 KVen und 2 KZVen gibt, auf das jeweilige Bundesland. Nach § 12 Abs. 3 Ärzte-ZV hat jeder Bedarfsplan nach Maßgabe der Bedarfsplanungs-Richtlinie und unter Beachtung der Ziele und Erfordernisse der Raumordnung und Landesplanung auf der Grundlage einer Untergliederung der Planungsbereiche Feststellungen zu enthalten insbesondere über
- die ärztliche Versorgung auch unter Berücksichtigung der Arztgruppen,
- Einrichtungen der Krankenhausversorgung sowie der sonstigen medizinischen Versorgung, soweit sie Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung erbringen und erbringen können,
- Bevölkerungsdichte und -struktur,
- Umfang und Nachfrage nach vertragsärztlichen Leistungen, ihre Deckung sowie ihre räumliche Zuordnung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung,
- für die vertragsärztliche Versorgung bedeutsame Verkehrsverbindungen.
Ist es aufgrund regionaler Besonderheiten für eine bedarfsgerechte Versorgung im Bereich einer KV erforderlich, von der verbindlichen Bedarfsplanungs-Richtlinie abzuweichen, sind die Abweichungen im jeweiligen regionalen Bedarfsplan zu kennzeichnen und die Besonderheiten darzustellen. Sieht das Landesrecht die Einrichtung eines gemeinsamen Landesgremiums nach § 90a vor und sollen dessen Empfehlungen berücksichtigt werden, sind die sich daraus ergebenden Besonderhei...