Prof. Dr. Volker Wahrendorf
2.1 Feststellung der Überversorgung (§ 103 Abs. 1 Satz 1)
2.1.1 Überblick
Rz. 25
Ob in einem Planungsbereich eine ärztliche oder psychotherapeutische Überversorgung vorliegt, entscheidet der jeweilige Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (vgl. § 90), dem neben den unparteiischen Mitgliedern, Vertretern der Ärzte/Psychotherapeuten und Krankenkassen mit beratender Stimme auch Vertreter der für die Sozialversicherung obersten Landesbehörden und nach § 140f Vertreter der Organisationen angehören, welche die Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen wahrnehmen. Zwischen der Arztzahl und der Finanzentwicklung der gesetzlichen beitragsfinanzierten Einnahmen der Krankenversicherung sind Zulassungsbeschränkungen unausweichlich (BT-Drs. 12/3608 zu Nr. 52 und 54). Die Vorschrift verbindet die Bedarfsplanungsvorgaben nach § 101 mit der Bedarfsplanungs-Richtlinie und den Entscheidungen der Zulassungsausschüsse, die wiederum an die Anordnung der Zulassungsbeschränkungen gebunden sind (vgl. Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 103 Rz. 24).
Rz. 26
Der Landesausschuss stellt nach Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 16b Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) fest, ob eine Überversorgung mit Vertragsärzten oder Vertragspsychotherapeuten vorliegt. Die Feststellung ist arztgruppenbezogen und für jeden Planungsbereich gesondert zu treffen (Abs. 2 Satz 1 bis 3). § 16b Ärzte-ZV konkretisiert eine Überversorgung und verpflichtet den Landesausschuss zur regelmäßigen Überprüfung der Zulassungsbeschränkungen. Die Formulierung "stellen fest" in Abs. 1 Satz 1 bedeutet, dass der jeweilige Landesausschuss die für ihn verpflichtende Feststellung (vgl. § 90 Abs. 4) von Amts wegen vornimmt, er also nicht erst auf einen Antrag hin tätig werden muss. Der Landesausschuss kann diese Feststellung deshalb treffen, weil ihm der kontinuierlich fortzuschreibende Bedarfsplan mit den dazugehörigen Planungsblättern von der KV regelmäßig in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung zu stellen ist. Nach Abs. 1 Satz 3 treffen die Landesausschüsse darüber hinaus eine Feststellung, wenn der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um 40 % überschritten wird. Da der Landesausschuss der Ärzte/Psychotherapeuten und Krankenkassen aber ehrenamtlich arbeitet (§ 90 Abs. 3 Satz 1), wird er bei dieser Aufgabe, die im weiteren Sinne auch zum Umfang seiner Beratung des Bedarfsplans (§99 Abs. 3) gehört, von der zuständigen KV-Verwaltung unterstützt. Bei der Feststellung, ob in einem Planungsbereich Überversorgung vorliegt, hat der Landesausschuss die Vorgaben des Abs. 2 sowie die in der Bedarfsplanungs-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (vgl. § 101) enthaltenen Maßstäbe, Grundlagen und Verfahren zu berücksichtigen.
Rz. 27
Der Landesausschuss tätigt seine Feststellung der Überversorgung auf der Grundlage der für jeden Planungsbereich vorhandenen Zahlen und Fakten (Planungsblätter), die Gegenstand des Bedarfsplans (vgl. § 99) sind und von der KV kontinuierlich aktualisiert werden; er führt also selbst keine umfangreiche Prüfung der jeweiligen Versorgungssituation durch, sondern stellt nach Maßgabe der Planungsblätter fest, ob in einem Planungsbereich die in § 101 Abs. 1 Satz 3 SGB V i. V. m. § 24 der BPL-RL genannten Voraussetzungen für eine Überversorgung erfüllt sind. Bei dem allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad handelt es sich um eine rein rechnerische Ermittlung des arztspezifischen Versorgungsstandes (Pawilita, in: jurisPK-SGB V, § 103 Rz. 30). Bei der Zusammenstellung und dem Ausfüllen der Versorgungsblätter ist die jeweilige KV behilflich, weil der Landesausschuss ehrenamtlich tätig ist und nicht über den verwaltungsmäßigen Unterbau verfügt.
Die vom Landesausschuss getroffene Feststellung einer Überversorgung in einem Planungsbereich ist im Übrigen der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörde vorzulegen, die diese Entscheidung innerhalb von 2 Monaten beanstanden kann (§ 90 Abs. 3).
2.1.2 Ländliche und strukturschwache Teilgebiete
Rz. 28
Die für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden können ländliche und strukturschwache Teilgebiete eines Planungsbereiches bestimmen, die auf ihren Antrag für einzelne Arztgruppen oder Fachrichtungen auszunehmen sind (Abs. 2 Satz 2). Die Vorschrift verwendet die Begriffe ländliche und strukturschwache Teilgebiete als Steuerungsinstrumente und als unbestimmte Rechtsbegriffe. Eine genaue Festlegung findet sich im Gesetz nicht. Die offene Formulierung geht auf die Überzeugung des Gesetzgebers zurück, dass die Landesbehörden nicht nur über Kenntnisse der lokalen Versorgungslage und die Altersstruktur der vorhandenen Ärzte in den jeweiligen Gebieten verfügen, sondern darüber hinaus auch weitere relevante Faktoren für einen bedarfsgerechten Zugang bekannt sind, insbesondere die infrastrukturelle Gesamtsituation in ländlichen und strukturschwachen Gebieten eines Planungsbereiches, die Gestaltung der Mobilität sowie der Versorgungssituation und infrastrukturellen Verpflichtungen in und zu benachbarten Kreisen (BT-Drs. 19/6337; vgl. auch