Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 31
Unsystematisch wegen der hauptsächlich den Landesausschuss betreffenden Regelungen enthält dieser Absatz Gründe für die Beendigung der Zulassung in einem Planungsbereich, in dem Zulassungsbeschränkungen angeordnet sind (Satz 1). Endet die Zulassung durch Tod, Verzicht oder Entziehung und soll die Praxis durch einen Nachfolger weitergeführt werden, entscheidet der Zulassungsausschuss auf Antrag des Vertragsarztes oder seiner über die Verfügung berechtigten Erben, ob ein Nachbesetzungsverfahren nach Abs. 4 durchgeführt werden soll. Ferner ist Abs. 6 zu beachten. Endet die Zulassung des Vertragsarztes durch Tod, sind die Erben antragsberechtigt. In Betracht kommt auch ein Handeln aufgrund einer postmortalen Vollmacht (Kremer/Wittmann, Zulassungsverfahren, Rz. 530). Unter Umständen muss ein Abwesenheitspfleger (§ 1911 BGB) oder ein Nachlasspfleger (§ 1960 BGB) eingeschaltet werden. Nach Abs. 3a Satz 2 gilt dies auch bei Verzicht auf die Hälfte oder eines Viertels der Zulassung oder bei der Entziehung der Hälfte oder eines Viertels der Zulassung. Allgemeine Voraussetzung für eine Praxisnachfolge ist die Entscheidung, ob eine Benachfolgung erforderlich ist. Grundlage hierfür ist der Bedarfsplan einschließlich ergänzender Feststellungen zu einem lokalen oder qualifikationsbezogenen zusätzlichen Versorgungsbedarf (Hess, in: BeckOGK Sozialrecht, SGB V, § 103 Rz. 19). Bei der Festlegung eines Verkaufspreises gilt, wenn er strittig ist, die modifizierte Ertragswerttheorie (BSG, Urteil v. 14.2.2011, B 6 KA 39/10 R).
Rz. 32
Eine Verzichtserklärung muss den Zulassungsgremien vorliegen (Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 103 Rz. 114); sie muss eindeutig sein und sich nicht in einer bloßen Absichtserklärung erschöpfen. Vor allem muss noch ein Praxissubstrat vorhanden sein (BSG, Urteil v. 30.10.2019, B 6 KA 14/18 R). Bei dem Hinweis, dass "die Praxis von einem Nachfolger weitergeführt werden soll", kommt es neben dem vorhanden Praxissubstrat auf das subjektive Begehren des bisherigen Vertragsarztes oder seiner Erben an, dass die bisherige Praxis trotz Tod, Verzicht oder Zulassungsentziehung fortgeführt werden soll, was mit dem entsprechenden Antrag auf Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens erfüllt wird. Fehlt aber das Praxissubstrat bzw. besteht die Praxis z. B. nur noch auf dem Papier oder aus entsorgten Praxisräumen, mangelt es an der inneren Rechtfertigung für ein Nachbesetzungsverfahren. Entscheidend ist also, ob die ursprünglich bestehende Praxis überhaupt noch von einem Nachfolger weitergeführt werden kann. Zum Zeitpunkt der Antragsstellung auf Bewilligung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens muss daher die förderungsfähige Praxis vorhanden sein, ehe der Zulassungsausschuss über die Bewilligung der Durchführung des Nachbesetzungsverfahrens entscheiden darf (so auch BSG, Urteil v. 27.6.2018, B 6 KA 46/17 R). Keine Rolle spielt dabei, dass der bisherige Vertragsarzt oder dessen Erben mit dem Antrag eine nicht mehr förderungsfähige Praxis zur Erzielung eines "Verkaufserlöses" gerne weitergeführt haben würden.
Rz. 33
Als Willenserklärung ist der Verzicht bedingungsfeindlich und kann nicht davon abhängig gemacht werden, dass ein bestimmter Arzt Praxisnachfolger wird. Ausnahmen sind möglich, wenn die Verzichtserklärung davon abhängig gemacht wird, dass (bestandskräftig) ein Nachfolger gefunden wird. Nur unter diesen Voraussetzungen ist das Interesse des abgebenden Arztes am Erhalt der Praxis gesichert (BSG, Urteil v. 14.12.2011, B 6 KA 13/11 R). Bis zur bestandskräftigen Entscheidung über das Zulassungsverfahren kann der Verzicht zurückgenommen werden. Bewirbt sich ein Arzt um eine Praxisnachfolge mit der feststehenden Absicht, die Praxis zu verlegen, ist die Bewerbung rechtlich irrelevant (Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 103 Rz. 121).
Rz. 34
Ersatzlos fällt eine Praxis weg bei einer Entziehung wegen Nichtausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit (§ 95 Abs. 6). Bei einem Entzug wegen Verstoßes gegen vertragsärztliche Pflichten bleibt die Möglichkeit der Nachfolge einer Praxis bestehen (BSG, Urteil v. 23.3.2016, B 6 KA 9/15 R).
Rz. 35
Die Anpassung des Satzes 2 ist mit Wirkung zum 11.5.2019 entsprechend der Änderung des § 19a Abs. 2 der Ärzte-ZV erfolgt. Abs. 3a Satz 2 HS 2 ordnet nach seinem Wortlaut an, dass u. a. auch bei hälftiger Entziehung einer Zulassung Satz 1 gilt. Das enthält nicht nur eine Verweisung auf die Rechtsfolge des Satzes 1 (Eröffnung des Entscheidungsspielraums des Zulassungsausschusses), sondern bezieht sich auf den gesamten Satz 1, mithin auch auf dessen sonstige Tatbestandsmerkmale, insbesondere auf die fortführungsfähige Praxis. Für die klarstellende Regelung in Satz 2 bleibt auch dann ein eigenständiger Anwendungsbereich für diejenigen Konstellationen bestehen, in denen eine hälftige Entziehung der Zulassung wegen Nichtausübung des zuerkannten vollen Versorgungsauftrags erfolgte (BSG, Urteil v. 24.10.2018, B 6 KA 28/17 R). Dieser eigenständige, die Vorschrift nicht vollständig ins Leere l...