Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 47
Unter mehreren Bewerbern, welche die ausgeschriebene Praxis als Nachfolger fortführen wollen, hat der Zulassungsausschuss den Nachfolger nach pflichtgemäßem Ermessen auszuwählen (Abs. 4 Satz 4). Nach Satz 5 sind bei der Auswahl der Bewerber folgende Kriterien zu berücksichtigen:
- die berufliche Eignung,
- das Approbationsalter,
- die Dauer der ärztlichen Tätigkeit,
- eine mindestens 5 Jahre dauernde vertragsärztliche Tätigkeit in einem Gebiet, in dem der Landesausschuss das Bestehen von Unterversorgung festgestellt hat,
- ob der Bewerber Ehegatte, Lebenspartner oder ein Kind des bisherigen Vertragsarztes ist,
- ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragsarztes oder ein Vertragsarzt ist, mit dem die Praxis bisher gemeinschaftlich betrieben wurde,
- ob der Bewerber bereit ist, besondere Versorgungsbedürfnisse zu erfüllen, die in der Ausschreibung der KV definiert worden sind,
- Belange von Menschen mit Behinderung bei Zugang zur Versorgung (Barrierefreiheit),
- bei MVZ die Ergänzung des besonderen Versorgungsangebots; dies gilt entsprechend für Vertragsärzte und Berufsausübungsgemeinschaften (Gemeinschaftspraxen) mit einem besonderen Versorgungsangebot.
Berücksichtigung der vorgenannten gesetzlichen Kriterien bedeutet, dass zuerst die nach Abs. 3a privilegierten Bewerber zu berücksichtigen sind (vgl. Kriterien Nr. 5, 6 i. V. m. Nr. 1, danach Nr. 7). Die übrigen Kriterien sind demgegenüber nachrangig zu berücksichtigen, wobei aber im Einzelfall die Reihenfolge ihrer Berücksichtigung in Bezug auf die ausgeschriebene Arztstelle eine gewisse Rolle spielen kann. Ergänzt werden die Kriterien um die Warteliste des Abs. 5, die systematisch in diesem Absatz hätte verortet werden müssen.
Rz. 48
Die berufliche Eignung ergibt sich aus der Weiterbildungsqualifikation. Berücksichtigt werden auch weitere qualifikatorische Gesichtspunkte (Geiger, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 103 Rz. 96). Bei einer spezifischen Praxisausrichtung sollte der Bewerber diese Qualifikationen aufweisen (Hess, in: BeckOGK, Sozialrecht, SGB V, § 103 Rz. 28). Die berufliche Eignung ist auch dann gegeben für einen psychologischen Psychotherapeuten, der sich in einem Nachbesetzungsverfahren um den Vertragsarztsitz eines ärztlichen Psychotherapeuten bewirbt und umgekehrt (Geiger, a. a. O., Rz. 97).
Rz. 49
Beim Approbationsalter ist das Lebensalter bei der Approbation zu verstehen. Auf diese Weise soll lebensälteren Bewerbern die Möglichkeit eröffnet werden, einen Vertragsarztsitz zu übernehmen.
Rz. 50
Die Dauer der ärztlichen Tätigkeit schließt an die Approbation an. Sowohl das Approbationsalter wie auch die ärztliche Tätigkeit zielen auf einen Erfahrungsstand des Bewerbers nach Abschluss der Weiterbildung ab, wobei nach einem Ablauf von 5 Jahren diese Kriterien keinen Vorzug mehr bedeuten (BSG, Urteil v. 20.3.2013, B 6 KA 19/12 R).
Rz. 51
Bei der Auswahl ist ferner das Privileg der familiären Bewerber (Nr. 5) bei der Bewerberauswahl zu beachten.
Rz. 52
Entscheidungskriterium ist nach Nr. 6, ob der Bewerber ein angestellter Arzt des bisherigen Vertragspartners oder ein Vertragsarzt ist, mit dem bisher die Praxis gemeinschaftlich betrieben wurde. Dadurch soll verhindert werden, dass Ärzte, mit denen der ausscheidende Arzt bisher zusammengearbeitet hat, gezwungen werden, ihre bisherige vertragsärztliche Tätigkeit aufzugeben (BT-Drs. 17/8005 S. 112).
Rz. 53
Nach Abs. 4 Satz 6 sind die Festlegungen nach § 101 Abs. 1 Satz 8 aufgrund des MDK-Reformgesetzes mit Wirkung zum 1.1.2020 zu beachten. Diese Änderung entspricht den Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses in § 13 Abs. 6 Bedarfsplanungs-Richtlinie und dient dazu, dass die Festlegungen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Geltung von Höchstversorgungsanteilen einschließlich etwaiger Ausnahmeregelungen auch bei der Nachbesetzung von Arztsitzen zu beachten sind. Hiervon besonders betroffen ist nach der Gesetzesbegründung die Arztgruppe der Fachinternisten, für die der Gemeinsame Bundesausschuss differenzierte Höchstversorgungsanteile für bestimmte Facharzt- und Schwerpunktkompetenzen sowie Teilgebietsbezeichnungen festgelegt hat. Aufgrund der für die Fachinternisten geltenden Zulassungsbeschränkungen können Arztsitze grundsätzlich nur im Wege des Nachbesetzungsverfahrens besetzt werden. Die festgelegten Höchstversorgungsanteile würden allerdings ins Leere laufen, wenn sie allein für die Erteilung der Erstzulassung und Anstellungsgenehmigung, nicht aber im Nachbesetzungsverfahren Anwendung fänden.
Rz. 54
Nach Abs. 4 Satz 7 muss der Zulassungsausschuss ab dem 1.1.2006 für ausgeschriebene Hausarztsitze vorrangig Allgemeinärzte (Fachärzte für Allgemeinmedizin) berücksichtigen. Diese Vorrangstellung der Allgemeinärzte ist im Zusammenhang mit § 73b (hausarztzentrierte Versorgung) ausdrücklich bestätigt worden. Das GMG hat die Worte "grundsätzlich nur" durch "vorrangig" ersetzt, sodass in besonderen Fällen, wenn z. B. kein Allgemeinmediziner verfügbar ist, auch ein anderer hausärztlicher Arzt (hausärztlich tät...