Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 2
Abs. 1 Satz 1 ist im Zusammenhang mit §§ 98, 100 zu sehen, mit dem er korrespondiert. Es kommt zu einigen Überschneidungen, weil bereits dem Landesausschuss die Feststellung obliegt, dass in bestimmten Gebieten eines Zulassungsbezirks eine ärztliche Unterversorgung eingetreten ist oder in absehbarer Zeit droht. Sprachlich greift auch § 104 Abs. 1 Satz 1 die Formulierungen von der eingetretenen Unterversorgung oder der Drohung einer Unterversorgung auf. Teilweise dürften sich die Bestimmungen sogar widersprechen, so z. B. bezüglich der Bindungswirkung einer Anordnung des Landesausschusses der Ärzte und Krankenkassen (vgl. § 90) für den Zulassungsausschuss-Ärzte. Während § 100 Abs. 2 die verbindliche Wirkung einer angeordneten Zulassungsbeschränkung für den jeweiligen Zulassungsausschuss vorschreibt, räumt § 104 Abs. 1 etwas Freiraum ein, wenn die Zulassungsverordnung vorgeben soll, inwieweit der Zulassungsausschuss im Falle einer Unterversorgung an die Anordnung des Landesausschusses gebunden ist. Genauer regelt § 98 den Inhalt der Zulassungsverordnungen in Bezug auf die Bestellung und Abberufung der Mitglieder eines Zulassungsausschusses .§ 16 Abs. 3 Ärzte-ZV bestimmt, dass Zulassungsbeschränkungen bei drohender Unterversorgung mit verbindlicher Wirkung für einen oder mehrere Zulassungsausschüsse angeordnet werden, sodass die Rechtswirkung des § 100 Abs. 2 letztlich doch eingehalten worden ist.
Rz. 2a
Als Ermächtigungsverordnung muss die Vorschrift den Anforderungen des Art. 80 GG genügen. Zweck und Ausmaß der erteilten Ermächtigung muss gesetzlich bestimmt sein. Inhalt der Zulassungsverordnungen ist die Regelung der Vorgaben für die Anordnung der Zulassungsbeschränkungen durch die Landesausschüsse der Ärzte und Zahnärzte. Zweck ist es durch die Zulassungsbeschränkungen die vertragsärztliche Versorgung zu sichern. Zum Ausmaß bestimmt die Vorschrift, dass die Verordnungen Voraussetzung, Umfang und Dauer von Zulassungsbeschränkungen bei eingetretener oder drohender Unterversorgung zu regeln haben (zum Ganzen: Geiger, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 104 Rz. 17). Infrage gestellt wird die Rechtmäßigkeit der Vorschrift durch die Sozialgerichte nicht (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 23.2.2005, B 6 KA 81/03 R; vgl. auch Pawlita, in: jurisPK-SGB V, § 104 Rz. 18).
Rz. 3
Die Verfahrensweise bei Zulassungsbeschränkungen wird zunächst von der Feststellung des Eintritts einer Unterversorgung oder einer unmittelbar drohenden Unterversorgung in der vertragsärztlichen Versorgung bestimmt. Seit 1.4.2007 ist das Wort "unmittelbar" durch "in absehbarer Zeit" ersetzt worden, was den Zeitrahmen der in absehbarer Zeit drohenden und sich meist vorher abzeichnenden Unterversorgung etwas weiter fasst, aber sonst keine materiellen Auswirkungen hat. Die notwendige Feststellung trifft der jeweilige Landesausschuss der Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen von Amts wegen (§ 16 Abs. 1 Ärzte-ZV/Zahnärzte-ZV). Danach ist der für die Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung zunächst Gelegenheit zu geben, innerhalb eines angemessenen Zeitraumes durch Ausschöpfung anderer Maßnahmen (z. B. Maßnahmen nach § 105 oder die Ausschreibung von Vertragsarztsitzen nach § 15 Ärzte-ZV, Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums) die Unterversorgung bzw. drohende Unterversorgung zu beseitigen oder zu beheben. Erst wenn dies nicht zum Erfolg führt, folgen im vertragsärztlichen Bereich Zulassungsbeschränkungen (Zulassungssperrungen) für die von der Unterversorgung nicht betroffenen Gebiete eines Zulassungsbezirks, und zwar so lange, bis durch die Niederlassung von Ärzten/Zulassung eines medizinischen Versorgungszentrums im unterversorgten Gebiet die Unterversorgung beseitigt ist.