Rz. 10
Nach Abs. 1a Satz 3 Nr. 6 haben die KVen (KZVen) die Möglichkeit, mit Mitteln des Strukturfonds auch einen freiwilligen Verzicht auf die Zulassung als Vertragsarzt (bzw. Vertragspsychotherapeut) finanziell zu fördern. Möglich ist danach eine Förderung des freiwilligen Verzichts sowohl in Gebieten ohne Zulassungsbeschränkungen, als auch in Gebieten mit Zulassungsbeschränkungen, wenn die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt auf einen Nachbesetzungsantrag verzichten. Darüber hinaus ist es auch möglich, in den Fällen, in denen der Zulassungsausschuss nach § 103 einen Nachbesetzungsantrag ablehnt, die bisher nach § 103 Abs. 3a Satz 13 allein von der KV zu zahlenden Entschädigungen aus dem Strukturfonds zu finanzieren.
Dies kann z. B. auch dazu dienen, eine vorhandene Überversorgung abzubauen. Während Sicherstellungszuschläge und Strukturfonds vorrangig auf die Beseitigung der unzureichenden Versorgungssituationen ausgerichtet sind, bietet diese Möglichkeit den KVen eine Chance, in bestimmten Planungsbereichen gegen Überversorgung vorzugehen. Nach der Bedarfsplanung gilt ein Planungsbereich ab einem Versorgungsgrad von 110 % als überversorgt. Die bisherige Beschränkung dieser finanziellen Förderung auf Vertragsärztinnen und Vertragsärzte, die mindestens 62 Jahre alt sind, ist mit Wirkung zum 1.1.2012 gestrichen worden, sodass die KVen die finanzielle Förderung zum Abbau der Überversorgung jetzt verstärkt, d. h. bezogen auf alle Vertragsarztpraxen/Vertragspsychotherapeutenpraxen und (allerdings mehr theoretisch) Medizinische Versorgungszentren (MVZ), nutzen können. Auch über den Abbau von Überversorgung kann nämlich erreicht werden, dass sich die Versorgungssituation im betreffenden Planungsbereich dem allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad annähert bzw. im Idealfall bei einem Wechsel der Arztpraxis/Psychotherapeutenpraxis in einen unterversorgten Planungsbereich sich dort die unzureichende Versorgungssituation sogar verbessern kann.
Dies ist aber für sich gesehen reine Theorie, weil ein Wechsel der Arztpraxis von vielen Faktoren, insbesondere aber von der Entscheidung des Praxisinhabers abhängt, freiwillig auf die Zulassung und auf einen Nachbesetzungsantrag zu verzichten. Der Schutz des privaten Eigentums gilt natürlich auch für die Inhaberin oder den Inhaber einer Vertragsarztpraxis bzw. -psychotherapeutenpraxis. Einen gesetzlichen Zwang zum Verkauf kann es nach unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht geben.
Nach der Begründung im GKV-VStG sollten diese Fördermaßnahmen zum Abbau der Überversorgung allein aus Mitteln der KV getragen werden, was maßgeblich mit dazu beigetragen haben dürfte, dass diese Möglichkeit in der Praxis faktisch nicht genutzt worden ist. Aus Mitteln der KV bedeutet, dass die Zahlungen aus der Gesamtvergütung zu entnehmen sind, und daher diese Finanzmittel in der Satzung der jeweiligen KV als Fördermittel vorgesehen sein müssten. Bisher ist eine solche Satzungsregelung allerdings nicht bekannt. Durch Abs. 3 Satz 2 a. F. war mit Wirkung zum 1.1.2012 ergänzend klargestellt worden, dass in wegen Überversorgung gesperrten Planungsbereichen eine finanzielle Förderung auch durch den Aufkauf der Vertragsarztpraxis durch die KV erfolgen konnte, wenn auf eine Ausschreibung zur Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 Satz 1 verzichtet wurde. Die finanzielle Förderung nach Abs. 3 a. F. ergänzte das Vorkaufsrecht der KV nach § 103 Abs. 4. Sie unterschied sich von der Ausübung des Vorkaufsrechts aber insofern, als die finanzielle Förderung den freiwilligen Verzicht auf die Vertragsarztzulassung voraussetzte und eine Ausschreibung zur Nachbesetzung von vornherein unterblieb. Allerdings blieb die Förderung eines möglichen Aufkaufs von Vertragsarztpraxen eine Kannbestimmung, d. h., eine KV war nicht verpflichtet, der Überversorgung mit dieser Maßnahme entgegenzuwirken. In der Praxis hatte der Aufkauf einer Arztpraxis bisher keine Rolle gespielt. Dies resultiert daraus, dass der mögliche Aufkauf aus KV-Mitteln finanziert werden müsste, was letztlich die Gesamtvergütung der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte schmälert, während sich der Nutzen, der Abbau der Überversorgung, nur bei vielen Praxisaufkäufen langfristig ergeben würde; die KV müsste die Fördermittel für den Aufkauf außerdem satzungsmäßig regeln. Es kommt hinzu, dass der Aufkauf einer Arztpraxis i. d. R. nur dann in Betracht kommen dürfte, wenn der Praxisstandort nicht so attraktiv ist, als dass der Praxisinhaber die Nachbesetzung durch einen Verkauf der Praxis nicht selbst sicherstellen kann. In diesem Fall könnte (theoretisch) eine KV den Aufkauf auch so lange hinauszögern, bis der Praxisinhaber von sich aus die Arztpraxis aufgibt, weil er keinen Nachfolger findet.