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Wegen gelegentlich festzustellender Überkapazitäten, Unwirtschaftlichkeit und/oder unzureichender Qualität in der Krankenhausversorgung haben die gesetzlichen Krankenkassen als Hauptkostenträger der stationären Krankenhausbehandlung naturgemäß ein höheres Interesse, den Versorgungsvertrag mit betreffenden Krankenhäusern ganz oder teilweise zu kündigen. Dessen war sich der Bundesgesetzgeber auch bewusst. Im Abwägungsprozess, einerseits die Krankenhausversorgung der Bevölkerung durch die Bundesländer als öffentliche Aufgabe der Daseinsvorsorge sicherzustellen und andererseits die gesetzlichen Krankenkassen zu verpflichten, u. a. die Krankenhausversorgung der Versicherten unter Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität (§ 71) und des Wirtschaftlichkeitsgebotes erbringen zu lassen, hat er sich für übergeordnete Daseinsvorsorge bzw. für die Länder entschieden. Es sind hohe Hürden für den Fall vorgesehen, dass die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen einen Versorgungsvertrag mit einem zugelassenen Krankenhaus kündigen wollen.
Als weiterer Beurteilungsaspekt kommt die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 GG hinzu. Nach dem Urteil des BSG v. 16.5.2012 (B 3 KR 9/11 R) erfüllt der Betrieb von Krankenhäusern die Merkmale eines Berufs in der Person des jeweiligen Krankenhausträgers. Der Ausschluss eines Krankenhauses aus der Krankenhausversorgung durch Rechtsakt(e) der Krankenkassen bedeutet einen existenzgefährdenden Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, der im Hinblick darauf, dass ca. 90 % der Bevölkerung in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, nahe an eine Einschränkung der Berufsfreiheit heranreicht und deshalb das Grundrecht aus Art. 12 GG tangiert. Ein Krankenhaus, das keine Patienten der gesetzlichen Krankenversicherung aufnehmen darf, ist im Regelfall zur Betriebsaufgabe gezwungen.
Als Krankenkassenseite werden die in Abs. 1 Satz 1 genannten Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen bezeichnet, weil sie bei der Kündigung bzw. Teilkündigung eines fiktiven oder formellen Versorgungsvertrages als eine Vertragspartei gemeinsam handeln müssen. Eine Kündigung setzt also voraus, dass sich alle Landesverbände der Krankenkassen, zu denen nach § 212 Abs. 3 für die knappschaftliche Krankenversicherung die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See gehört, welche die Aufgaben eines Landesverbandes wahrnimmt, und die Ersatzkassen über das "ob" der Kündigung eines Versorgungsvertrages einig sind. Stimmt nur ein Landesverband der Krankenkassen oder der Bevollmächtigte der Ersatzkassen einer Kündigung nicht zu, kann die Kündigung eines Versorgungsvertrages mit einem zugelassenen Krankenhaus durch die anderen Landesverbände der Krankenkassen oder durch den Bevollmächtigten der Ersatzkassen nicht erfolgen. Damit kann z. B. ein Landesverband oder der Bevollmächtigte der Ersatzkassen, aus welchem Grund auch immer, eine an sich berechtigt erscheinende Kündigung zunächst blockieren.
Da es sich bei der Kündigung des Versorgungsvertrages um eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung handelt, müssen die Krankenkassen(verbände) darlegen, dass sie ihr Ermessen ausgeübt haben. Dazu gehört die Darlegung, inwieweit Ermessenserwägungen zum Ausspruch der Kündigung angestellt wurden bzw. ob im Rahmen eines Auswahlermessens geprüft wurde, in welchem Umfang (ganz oder teilweise, Abs. 1 Satz 1) eine Kündigung zu erfolgen hat.
Ein gemeinsames Handeln der Krankenkassenseite könnte in der Praxis am besten dadurch zustande kommen, dass alle Landesverbände der Krankenkassen und der Bevollmächtigte der Ersatzkassen auf einem gemeinsamen Briefbogen die Kündigung gegenüber dem zugelassenen Krankenhaus unterschreiben. Das führt dazu, dass eventuelle Wettbewerbsvorteile oder -nachteile, die sich unter Umständen aus der Kündigung ergeben können, für alle Krankenkassenarten gleich sind. Ob nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG die Gesamtheit der Krankenkassenseite als Behörde i. S. d. § 1 Abs. 2 SGB X anzusehen ist und die Kündigung eine behördlichen Verwaltungsakt darstellt oder ob mit Blick auf die Rechtsprechung des BVerwG zu den Arbeitsgemeinschaften nach § 44 SGB II und dem dort aufgeführten verfassungsrechtlichen Gebot der grundsätzlichen Trennung der Verwaltungszuständigkeiten von Bund und Ländern diese Rechtsauffassung für die Gesamtheit der Krankenkassen weiterhin aufrechterhalten werden kann, ist bisher nicht entschieden.
Gegen die Verwaltungsaktbefugnis wird gelegentlich angeführt, dass sich die Beteiligten als Vertragspartner des Versorgungsvertrages rechtlich gleichgeordnet gegenüberstehen. Es sei als allgemeiner Rechtssatz anerkannt, dass die Kündigung von öffentlich-rechtlichen Verträgen – zu denen der Versorgungsvertrag gehöre – nur in Form einer einseitigen, empfangsbedürftigen, öffentlich-rechtlichen Willenserklärung ergehen kann.
Dem kann aber neben der Tatsache der Statusrelevanz der Kündigung die Gesamtsystematik des Rechts zur Krankenhausfinanzierung im Sozialversiche...