2.1 Grundsatz (Abs. 1)
Rz. 8
Abs. 1 konkretisiert das in § 2 Abs. 2 normierte Sachleistungsprinzip und ordnet an, dass Ausnahmen hiervon nur zulässig sind, soweit eine Vorschrift des SGB V oder des SGB IX dies ausdrücklich vorsieht. Abgesehen von den ausdrücklich normierten Fällen eines Kostenerstattungsanspruchs dürfen die Krankenkassen daher Kosten nicht erstatten, die dadurch entstanden sind, dass sich Versicherte Leistungen außerhalb des Sachleistungssystems selbst beschafft haben.
Rz. 8a
Fälle eines im SGB V gesetzlich normierten Kostenerstattungsanspruchs finden sich in
- § 14 (Teilkostenerstattung für Angestellte und Beamte der Krankenkassen und ihrer Verbände bei entsprechender Satzungsregelung),
- § 17 (Kostenerstattung durch den Arbeitgeber eines im Ausland beschäftigten Versicherten),
- § 18 (Kostenübernahme bei Behandlung im Ausland mit Ausnahme der Staaten der Europäischen Union und des Europäischen Wirtschaftsraumes),
- § 37 Abs. 4 (Kostenerstattung bei häuslicher Krankenpflege),
- § 38 Abs. 4 (Kostenerstattung für eine Haushaltshilfe) und
- § 55 (Festzuschüsse beim Zahnersatz).
Auch im Rahmen von Modellverfahren können die Vertragspartner zur Vermeidung von Mehrfachinanspruchnahmen von Vertragsärzten eine Kostenerstattung vorsehen (§ 64 Abs. 4). Schließlich sieht § 129 Abs. 1 Satz 6 eine Kostenerstattung bei der Arzneimittelversorgung vor. Im SGB IX, auf das Abs. 1 ausdrücklich verweist, sind Kostenerstattungsansprüche für selbst beschaffte Rehabilitationsleistungen in § 8 Abs. 2 Satz 1 SGB IX geregelt (wonach auf Antrag statt Sachleistungen zur Teilhabe, die nicht in Reha-Einrichtungen auszuführen sind, als Geldleistungen zu erbringen sind) und in § 18 SGB IX (vgl. dazu Rz. 64). Weitere Ansprüche auf Geldleistungen sind im SGB IX etwa in § 29 (persönliches Budget) und § 73 (Reisekosten) vorgesehen.
2.2 Wahl der Kostenerstattung (Abs. 2)
Rz. 9
Abs. 2 räumt seit dem 1.1.2004 allen Versicherten die Möglichkeit ein, anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung zu wählen. Wurde das Wahlrecht entsprechend ausgeübt, können sich die Versicherten also auf eigene Rechnung behandeln und die Kosten später in der durch Gesetz und Satzung festgelegten Höhe von ihrer Krankenkasse erstatten lassen. Durch die Entscheidung für die Kostenerstattung löst sich der Versicherte aus den öffentlich-rechtlichen Bezügen des Sachleistungssystems. Er verschafft sich die erforderliche Behandlung stattdessen als Privatpatient durch Abschluss eines privatrechtlichen Behandlungsvertrages, der – anders als im Sachleistungssystem – auch eine Vergütungsverpflichtung beinhaltet, während im Sachleistungssystem zwar ein privatrechtlicher Behandlungsvertrag zwischen Vertragsarzt und Versichertem zustande kommt, ein Vergütungsanspruch des Vertragsarztes aber ausschließlich gegenüber der Krankenkasse entsteht. Versicherte, die sich für die Kostenerstattung entschieden haben, sind vergütungsrechtlich im Verhältnis zum Vertragsarzt Privatpatienten, denen die ärztlichen Leistungen nach der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) in Rechnung zu stellen sind (§ 13 BMV-Ä). Die praktische Bedeutung der Kostenerstattung nach Abs. 2 ist daher äußerst gering, weil die hiervon Gebrauch machenden Versicherten im Regelfall Kosten tragen müssen, die ihnen von der Krankenkasse nicht ersetzt werden, da die Abrechnung nach der GOÄ erfolgt und überdies von der Krankenkasse noch Abschläge für den höheren Verwaltungsaufwand vorgenommen werden müssen. Demgegenüber haben die Versicherten keinen Anspruch auf ein erweitertes Leistungsspektrum, weil ihr Anspruch trotz der Wahl der Kostenerstattung auf den Inhalt des normalen Sachleistungsanspruchs beschränkt bleibt.
2.2.1 Ausübung des Wahlrechts
Rz. 10
Das Wahlrecht steht allen Versicherten zu, also auch familienversicherten Mitgliedern. Die Ausübung des Wahlrechts erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige (öffentlich-rechtliche) Willenserklärung des Mitglieds gegenüber der Krankenkasse. Mangels spezialgesetzlicher Vorschriften sind für ihre rechtliche Behandlung die Vorschriften und allgemeinen Grundsätze des bürgerlichen Rechts entsprechend anwendbar. Die Erklärung ist daher nach den Maßstäben der §§ 133, 157 BGB auslegungsfähig. Eine bestimmte Form der Wahlrechtsausübung (z. B. Schriftform) ist im Gesetz nicht vorgeschrieben, sie kann jedoch durch die Satzung vorgeschrieben werden. Sie wird gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 BGB mit dem Zugang bei der Krankenkasse wirksam und wirkt nur für die Zukunft, d. h. für laufende und zukünftige Leistungsansprüche. Bis zu ihrem Zugang bei der Krankenkasse kann die Erklärung frei widerrufen werden (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB). Danach ist das Mitglied für ein Kalendervierteljahr an seine Wahl gebunden (Satz 12).
Rz. 11
Das Mitglied und über dieses familienversicherte Personen müssen keine gleich lautende Entscheidung treffen. Vielmehr kann z. B. nur das Mitglied die Kostenerstattung wählen, während seine nach § 10 versicherten Familienmitglieder weiterhin Sachleistungen erhalten.
Rz. 12
Die Wahl der Kostenerstattung muss nicht für das gesamte Leistungsspektrum erfolgen,...