Rz. 9a
Durch Anfügung der Sätze 2 bis 8 ist Art. 4 der Richtlinie 89/105/EWG mit Wirkung zum 30.7.2010 insoweit umgesetzt worden, als pharmazeutische Unternehmer nach § 130a Abs. 4 und Abs. 9 eine Ausnahmegenehmigung vom Preismoratorium und den gesetzlichen Herstellerabschlägen beantragen können, wenn dies durch besondere Gründe gerechtfertigt ist. Über den Antrag, den der Inhaber der arzneimittelrechtlichen Zulassung nach dem AMG stellt, entscheidet das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), dem das BMG gemäß Abs. 4 Satz 8 die Aufgaben nach den Sätzen 2 bis 7 übertragen hat. Das Verwaltungsverfahren orientiert sich an dem Verfahren nach § 34 Abs. 6 Satz 3 bis 5 und 7 (Antrag des pharmazeutischen Unternehmers zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung, die der Gemeinsame Bundesausschuss als Therapiestandard feststellt), welches nach Abs. 4 Satz 3 entsprechend gilt. Im Antrag an das BAFA hat der pharmazeutische Unternehmer das Vorliegen eines Ausnahmefalles und der besonderen Gründe hinreichend darzulegen (Abs. 4 Satz 3). Der gesetzliche Herstellerabschlag muss unmittelbar ursächlich für das Eintreten der besonderen Umstände sein, auf die das Unternehmen seinen Antrag stützt. Demnach dürfen insbesondere keine strukturellen Ursachen für das Eintreten der schwierigen unternehmerischen Situation verantwortlich sein. Solange betriebswirtschaftliche Maßnahmen zur Vermeidung der Reduzierung der schwierigen finanziellen Situation noch nicht ausgeschöpft sind, müssen diese primär durchgeführt werden. Die bisher durchgeführten betriebswirtschaftlichen Maßnahmen sind im Antrag kurz zu erläutern.
Gründe für den Rechtsanspruch auf Ausnahmegenehmigung nach Abs. 4können vorliegen, wenn der Herstellerabschlag aufgrund einer besonderen Marktsituation die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmers sowie der Mehrheitsgesellschafter des Unternehmens gefährden würde. Dabei kommt es darauf an, ob sich bei der konzernbezogenen Prüfung herausstellt, dass der Konzern bzw. bei konzernunabhängigen Unternehmen das pharmazeutische Unternehmen durch die gesetzlichen Rabatte finanziell unzumutbar belastet wird. Eine unzumutbare finanzielle Belastung liegt insbesondere vor, wenn das Unternehmen nicht in der Lage ist, mit eigenen finanziellen Mitteln, Beiträgen der Gesellschafter oder anderweitigen Maßnahmen die Illiquidität zu vermeiden. Bei der Prüfung wird auf die Höhe des Gewinns des Unternehmens bzw. des Konzerns während der letzten 3 Geschäftsjahre, die wichtigsten Kennziffern des Unternehmens über die Ertrags- und Liquiditätssituation der letzten 3 Jahre anhand betriebswirtschaftlicher Kennzahlen (wie EBIT-Marge, Eigenkapitalrendite, Eigenkapital- bzw. Fremdkapitalquote, Liquiditätsgrade und Verschuldungsgrad) und die Erläuterung abgestellt, welchen Einfluss der Herstellerrabatt auf die Kennzahlen hat. Außerdem sind die Zusatzbelastung des Unternehmens bzw. Konzerns durch die Herstellerrabatte und die Vermögens- und Liquiditätsverhältnisse aufgrund einer Vergleichsberechnung auf der Basis der Absatzmengen der letzten 3 Jahre und einer retrospektiven und prospektiven Kapitalflussrechnung im Sinne eines kurzfristigen Finanzplans für die nächsten 12 Monate vorzulegen. Die Anspruchsvoraussetzungen hat der Antragsteller durch das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers oder vereidigten Buchprüfers nachzuweisen. Das BAFA stellt zudem sicher, dass bei der Prüfung, in die auch Sachverständige einbezogen werden können, die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse des Antragstellers gewahrt werden (Abs. 4 Satz 6).
Die Freistellung vom gesetzlichen Herstellerabschlag nach Abs. 9 kann auch beantragt werden, wenn der Antragsteller nachweist, dass für Arzneimittel, die zur Behandlung seltener Leiden i. S. des europäischen Rechts zugelassen sind, durch den gesetzlichen Herstellerabschlag seine in der Vergangenheit angefallenen Aufwendungen insbesondere für Forschung und Entwicklung für das Arzneimittel nicht mehr refinanziert werden können. In diesem Fall erfolgt eine produktbezogene Prüfung. Dabei sollen die Kosten sowohl absolut als auch nach relativem Anteil an den Gesamtkosten des Unternehmens ausgewiesen werden. Die Kosten für das Arzneimittel sind zu differenzieren für Forschung und Entwicklung ohne die Kosten für klinische Studien, für klinische Studien der Phasen I, II und III, sonstige Kosten der arzneimittelrechtlichen Zulassung, primäre Kosten, darunter Materialkosten und Personalkosten, sowie sekundäre Kosten (bei den Personalkosten Angaben zur anteiligen Lohn- bzw. Gehaltssumme). Dabei ist ggf. zu trennen nach dem Ort des Kostenanfalls in Deutschland und im Ausland.
Die dem Arzneimittel zuzuordnenden Erträge sind den Kosten gegenüberzustellen. Entscheidend für eine Freistellung vom Herstellerabschlag ist, dass die Rentabilität des Arzneimittels im Zeitraum der Marktexklusivität nicht mehr gegeben ist. Es ist durch Berechnungen darzulegen, inwiefern der Abschlag eine Refinanzierung der Forschungs- und Entwicklungskost...