Rz. 20

Beim Rechschutz gegen negative oder fehlende positive Entscheidungen des G-BA ist zu unterscheiden zwischen den Versicherten und den Leistungserbringern. Die Versicherten können der Rechtsprechung des BSG folgend (a. A. wegen des Wortlautes und der systematischen Stellung im 4.Kapitel: Schmidt-De Caluwe, SGB V, § 135 Rz. 28) Klage gegen die Krankenkasse auf Kostenübernahme der begehrten Leistung (§§ 27 ff.) bzw. Kostenerstattung bei einer selbst beschafften Leistung nach § 13 Abs. 3 oder auch ohne Vorverfahren eine Anfechtungsklage gegen Festbetragsfestsetzungen (vgl. BSG, Urteil v. 1.3.2011, B 1 KR 10/10 R, juris Rz. 15) erheben. Die Richtlinien des G-BA als untergesetzliche Rechtsnormen werden vom Gericht inzident auf ihre Rechtmäßigkeit überprüft (vgl. eingehend zur gerichtlichen Kontrolle: Kingreen, MedR 2007 S. 457, 458 m. w. N. ).

 

Rz. 21

Bei Leistungserbringern und Herstellern ist demgegenüber zu beachten, dass einfachgesetzliche Regelungen wie § 135 nicht ihrem Schutz dienen und eine Normenkontrolle wie in § 47 VwGO im SGG nicht existiert. Da aber auch die Rechtsetzung der Exekutive in Form von Rechtsverordnungen und Satzungen – bzw. Richtlinien des G-BA – Ausübung öffentlicher Gewalt und daher in die Rechtsschutzgarantie einbezogen ist (BVerfGE 115 S. 81, 92), besteht jedenfalls dann eine Klagemöglichkeit in Form der Feststellungsklage, wenn die Betroffenen ansonsten keinen effektiven Rechtsschutz erreichen können, etwa wegen Unzumutbarkeit, Vollzugsakte zur Umsetzung der untergesetzlichen Normen abzuwarten oder bei Eintritt der Wirkung der Norm ohne anfechtbaren Vollzugsakt (BSG, Urteil v. 21.3.2012, B 6 KA 16/11 R, juris Rz. 23 ff. m. w. N., unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung, wonach in Fällen der sog. Normerlassklage die Leistungsklage die richtige Klageart ist). Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf Normerlass gerichteten Feststellungsklage ist – zur Vermeidung einer Popularklage – aber, dass" eigene Rechte" bzw. "eigenrechtlich geschützte Belange" betroffen sind (BSG, Urteil v. 21.3.2012, a. a. O., juris Rz. 31; Urteil v. 14.5.2014, B 6 KA 28/13 R, juris Rz. 27). In Betracht kommen dabei insbesondere die Grundrechte aus Art. 12 Abs. 1 GG. Keine durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Rechtsposition haben jedoch Leistungserbringer oder Hersteller, soweit es sich um Fragen des Leistungsumfangs der gesetzlichen Krankenversicherung handelt. Demgegenüber kann ein Eingriff in den Schutzbereich vorliegen, wenn die Regelung zu einem Ausschluss von der Marktteilnahme oder zu einer Benachteiligung gegenüber anderen Anbietern ohne sachlichen Grund führt (BSG, Urteil v. 14.5.2014, a. a. O., juris Rz. 30).

Der G-BA muss nicht notwendig beigeladen werden (BSGE 94 S. 302), zulässig ist aber eine einfache Beiladung.

Erstinstanzlich zuständig für Klagen gegen Entscheidungen und Richtlinien des G-BA (§§ 91, 92 SGB V) ist seit 31.3.2008 das LSG Berlin-Brandenburg (Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 26.3.2008, BGBl. I S. 445).

 

Rz. 22

Während das BSG zum Umfang der gerichtlichen Kontrolle bis zum Inkrafttreten des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) zum 1.1.2004 die Auffassung vertreten hatte, eine negative Entscheidung des G-BA unterliege wegen des Gestaltungs- und Beurteilungsspielraums außer der Prüfung auf Willkür und Einhaltung der Ermächtigungsgrundlage grundsätzlich keiner inhaltlichen Überprüfung (vgl. BSG, Urteil v. 16.9.1997, BSGE 81 S. 73, 85; SozR 4-2500 § 135 Nr. 1), ist wegen der mit dem GMG verbundenen Änderungen zu differenzieren. Die im Rang unterhalb des einfachen Gesetzesrechts stehenden Beschlüsse des G-BA sind gerichtlich in der Weise zu prüfen, als wenn der Bundesgesetzgeber derartige Regelungen in Form einer untergesetzlichen Norm – etwa einer Rechtsverordnung – selbst erlassen hätte (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2012, B 1 KR 34/12 R, juris Rz. 21). Geprüft wird nach der ständigen Rechtsprechung des BSG die Einhaltung von Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften sowie die inhaltlichen Grenzen des Gestaltungsspielraums (vgl. BSG, Urteil v. 1.7.2014, B 1 KR 15/13, juris Rz. 16; Urteil v. 15.5.2015, B 6 KA 14/14 R, juris Rz. 53 m. w. N.; vgl. auch zur Kritik an dem aus Sicht der Patienten bzw. Leistungserbringer verfassungsrechtlich nicht akzeptablen Entscheidungsspielraum des G-BA: Kingreen, MedR 2007 S. 457, 463 f.).

 

Rz. 23

Die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben durch den G-BA ist gerichtlich voll überprüfbar (z. B. das Tatbestandsmerkmal "schwerwiegende Erkrankung" in § 34 Abs. 1 Satz 2, vgl. BSG, Urteil v. 22.10.2014, B 6 KA 34/13 R, juris Rz. 40). Bei der Frage der Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens unterliegt der nach ggf. erforderlicher Einschaltung des IQWiG vorzunehmende Erkenntnisvorgang der gerichtlichen Kontrolle, z. B. wenn geltend gemacht wird, Studien seien nicht berücksichtigt oder falsch wiedergegeben worden (vgl. Wiegand, in: jurisPK-SGB V, § 135 Rz. 76). Liegt kein klares Ergebnis de...

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