Rz. 11
Den Versicherten ist die Teilnahme an Disease-Management-Programmen freigestellt. Dies korreliert mit dem Grundsatz der freien Arztwahl (§ 76) und entspricht der allgemeinen Erwartung, dass sich ein chronisch kranker Patient nur dann aktiv an DMP beteiligt, wenn auf ihn kein Zwang ausgeübt wird. Die Bereitschaft, sich aktiv in DMP einzubinden, wird daran deutlich, dass der Patient sich einschreibt und gleichzeitig nach umfassender Information durch seine Krankenkasse einwilligt, dass seine zu DMP-Zwecken entsprechend der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses erhobenen Daten entsprechend verarbeitet, übermittelt sowie von der Krankenkasse, den für die Evaluation benannten Sachverständigen (vgl. Abs. 4) sowie den an DMP beteiligten Leistungserbringern genutzt werden können. Das Mehr an Behandlungsqualität, welches mit den DMP-Programmen geboten wird, bringt für den teilnehmenden Patienten einen bestimmten Grad an Pflichten und Selbstverantwortung mit sich. Mit seiner schriftlichen Teilnahmeerklärung verpflichtet sich der Patient, sich aktiv in die Behandlung seiner chronischen Krankheit einzubringen. Das bedeutet z. B. für den Diabetiker, grundsätzlich bereit zu sein, die Lebensstiländerungen umzusetzen, die in der Diabetiker-Schulung vermittelt werden, um den Blutzucker zu optimieren, die regelmäßigen Arztbesuche einzuhalten, die Schulungen zum Bluthochdruck wahrzunehmen und ggf. Untersuchungen auf eventuell bestehende Komplikationen oder Folgeerkrankungen durchführen zu lassen. Verweigert der Patient im Laufe der Zeit die aktive Beteiligung, sagt er z. B. wiederholt die vereinbarten Arzttermine ab bzw. erscheint er erst gar nicht zu den festgelegten Terminen, wird er von dem für ihn kostenlosen DMP-Programm ausgeschlossen.
Der Widerruf der Einwilligung durch den chronisch kranken Patienten ist ausdrücklich vorgesehen, sodass die Belange des Datenschutzes insoweit gewahrt sind. Das Recht der freien Arztwahl bleibt zudem unangetastet, sodass z. B. auch ein für Diabetes mellitus Typ 2 eingeschriebener Patient wegen seiner Krankheit einen anderen Vertragsarzt aufsuchen kann, der nicht am "Behandlungsprogramm für Diabetes mellitus Typ 2" teilnimmt. Dieser Schwierigkeit lässt sich am besten dadurch begegnen, dass die Krankenkasse und die Leistungserbringer des DMP-Programms die eingeschriebenen Patienten so von den qualitativen Vorteilen des Programms überzeugen, dass diese überhaupt keinen Grund für einen Arztwechsel haben. Dies gilt auch für den Fall, dass der eingeschriebene Patient seine Teilnahme am Behandlungsprogramm widerruft. Von der Qualität überzeugte Patienten werden nicht widerrufen, falls sie nicht aus persönlichen Gründen ihre Teilnahme an DMP beenden.
Rz. 12
Auch die Leistungserbringer, z. B. ein Vertragsarzt, ein Krankenhaus bzw. eine ambulante oder stationäre Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung, können sich für oder gegen die Teilnahme an einem strukturierten Behandlungsprogramm entscheiden. Ihre Einbindung erfolgt durch Beitritt zum DMP-Vertrag, der zwischen den Krankenkassen bzw. ihren Verbänden und den im Vierten Kapitel genannten Leistungserbringern geschlossen werden kann. "Verbände" bedeutet, dass nicht nur die Landesverbände der Krankenkassen, sondern dass auch die als BGB-Gesellschaften gestalteten Bundesverbände (vgl. § 212) für die jeweilige Kassenart am Aufbau und an der Durchführung des strukturierten Behandlungsprogramms mitwirken. Das gilt auch für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, insbesondere wenn bundeseinheitliche Anforderungen umgesetzt werden sollen.
Auslöser der Vertragsbeziehung ist die Krankenkasse, die sich entscheidet, ein richtliniengemäßes strukturiertes Behandlungsprogramm für ihre chronisch Kranken aufzulegen. Um dieses Programm nach dem Sachleistungsprinzip durchführen zu können, muss die Krankenkasse zugelassene/ermächtigte Leistungserbringer finden, die zum Vertragsabschluss auf der Grundlage der jeweiligen Richtlinie bereit sind. Eine Krankenkasse, die viele chronisch Kranke versichert, tut sich damit leichter, als eine Krankenkasse, die nur wenige chronisch kranke Versicherte hat. Eine Verpflichtung, den sich auf ambulante und/oder stationäre Versorgung erstreckenden Vertrag mit einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV nach § 77) oder einer Landeskrankenhausgesellschaft (LKG nach § 108a) schließen zu müssen, sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor. Im Gegenteil, in der Gesetzesbegründung wird darauf hingewiesen, dass für den DMP-Vertrag sämtliche im Vierten Kapitel geregelten Vertragstypen zur Verfügung stehen einschließlich der Vorschriften über integrierte Versorgung nach §§ 140a ff. Damit kann ein DMP-Vertrag z. B. mit Gruppen von regional vertretenen Vertragsärzten, mit einem Berufsverband der Ärzte, aber auch mit der KV geschlossen werden, ebenso auf Krankenhausseite mit einer Gruppe von Krankenhäusern oder der LKG. Einzelverträge sind dagegen von der Sache her weniger als Vertragsbasis geeignet, weil sich ein strukturiertes Behandlun...