Rz. 2
Die Neufassung der Vorschrift soll mit dazu beitragen, die Patientensouveränität in der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken. Dabei verkennt die Gesetzesbegründung, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen von Anfang an eine Einrichtung der Selbstverwaltung ist, deren Organe nach den Vorschriften des SGB IV gewählt werden. Die Versicherteninteressen, die zum Teil zugleich Patienteninteressen sind, und die Arbeitgeberinteressen an der gesetzlichen Krankenversicherung werden dabei durch die gewählten Vertreter wahrgenommen. Patientenorganisationen repräsentieren nur einen Teil der Patienten, nämlich die, welche sich zur gemeinsamen Erreichung von Zielen, meist in eingetragenen Vereinen, zusammengefunden haben. Die breite Masse der Patientinnen und Patienten bleibt außen vor, für die aber die Organisationen vorgeben, ebenfalls zu sprechen.
Rz. 3
Die gesetzliche Krankenversicherung ist kein Selbstzweck, sondern sie dient nach dem Prinzip der Solidarität den Menschen. Sie sollen mit Recht eine gesetzliche Krankenversicherung erwarten, die eine qualitativ hochwertige und humane Versorgung in Medizin und Pflege bietet, welche allen Menschen ohne Ansehen des Alters oder der finanziellen Leistungskraft zugutekommt. Aufgrund des GMG sind die Patientinnen und Patienten mit Wirkung ab 1.1.2004 stärker in die Entscheidungsprozesse, welche ihre medizinische und pflegerische Krankenversorgung betreffen, eingebunden worden. Ziel des Gesetzgebers ist es, aus Betroffenen Beteiligte zu machen; nur dann, so die Gesetzesbegründung, könne den Versicherten auch mehr Eigenverantwortung zugemutet werden. Die Einbindung ist über eine Beteiligung der maßgeblichen Organisationen geregelt worden, die nach ihren Statuten oder Satzungen bzw. von ihrer Zielsetzung her für die Wahrnehmung der Interessen der Patienten und für die Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen zuständig sind.
Die zum 1.1.2012 erfolgte Streichung in Abs. 2 Satz 1 ist die redaktionelle Folge, dass nach § 303b auf die Einrichtung eines Beirats der Arbeitsgemeinschaft für Aufgaben der Datentransparenz verzichtet worden ist. Dadurch bezieht sich das in Abs. 2 Satz 1 geregelte Mitberatungsrecht nur noch auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, sodass Satz 3 redaktionell entsprechend angepasst worden ist.
Rz. 4
Die Rechtsvorschrift regelt die Art und Weise der Beteiligung der Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten und der sie beratenden Organisationen bei solchen Fragen der gesetzlichen Krankenversicherung, die die Versorgung betreffen. Die nähere Beschreibung dieser Interessenvertretungen und Organisationen ergibt sich aus der Rechtsverordnung nach § 140g. Die Formulierung "sind zu beteiligen" lässt den Akteuren in der gesetzlichen Krankenversicherung keinen Spielraum. Allerdings können die Interessenvertretungen/Organisationen auch nicht gezwungen werden bzw. sie können auf die Wahrnehmung ihres Beteiligungsrechtes im Einzelfall bzw. auch von Fall zu Fall verzichten. Daran wird aber deutlich, dass sie die Steuerungs- und Entscheidungsgremien der gesetzlichen Krankenversicherung nicht blockieren können, indem sie auf ihrem formellen Beteiligungsrecht bestehen, es andererseits aber nicht ausüben wollen. Für Fragen, welche die Versorgung vorrangig in quantitativer und qualitativer Hinsicht betreffen, erhalten sie ein Mitberatungsrecht in den Steuerungs- und Entscheidungsgremien der gesetzlichen Krankenversicherung auf Bundes- und auf Landesebene. Bei versorgungsrelevanten Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses besitzen sie sogar ein eigenes Antragsrecht. Das Mitberatungsrecht endet nicht mit der Aufzählung der Mitwirkungsrechte in der Vorschrift. So können die Patientenorganisationen z. B. an den Sitzungen der Schiedsstelle nach § 130b mit beratender Stimme teilnehmen.
Rz. 4a
Mit Wirkung zum 26.2.2013 sind die Mitberatungsrechte der auf Bundes- und Landesebene für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen erweitert worden. Die Mitberatungsrechte beziehen sich auf das fakultativ eingerichtete Landesgremium nach § 90a, auf neu geschaffene Entscheidungen in Zulassungssachen, auf die Rahmenempfehlungen des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen und der Leistungserbringer im Hilfsmittelbereich, bei der Versorgung mit Krankentransportleistungen und auf die Empfehlung des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen zu den Anforderungen an die Leistungserbringer der sozialmedizinischen Nachsorgemaßnahmen. Hintergrund ist, dass die Patientinnen und Patienten von diesen Maßnahmen mittelbar betroffen sein können.
Durch das HHVG sind mit Wirkung zum 11.4.2017 die Ansprüche auf Unterstützung der Patientenvertretung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeweitet worden. Für den Aufwand zur Koordinierung ihrer Beteiligungsrechte erhalten die nach § 140g anerkannten Patientenorganisationen nach Abs. 8 einen Betrag i. H. v. 120,00 EUR fü...