0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 145 ist mit Art. 1, Art. 79 Abs. 1 des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz – GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) mit Wirkung zum 1.1.1989 in Kraft getreten.
Durch Art. 1 Nr. 34, Art. 12 Abs. 1 des 2. SGB V-ÄndG v. 20.12.1991 (BGBl. I S. 2325) wurde mit Wirkung zum 1.1.1992 im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung in Abs. 1 Nr. 2 "im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches" durch "im Inland" ersetzt.
Art. 1 Nr. 92, Art. 35 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung (Gesundheitsstrukturgesetz – GSG) v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) gaben der Vorschrift mit Wirkung zum 1.1.1993 eine neue Fassung.
Mit Art. 4 Nr. 7, Art. 32 Abs. 1 des Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz) v. 21.3.2005 (BGBl. I S. 818) wurde mit Wirkung zum 30.3.2005 der Satz 2 geändert und der Satz 3 neu gefasst, wodurch die Definition des Bedarfssatzes an die Einführung des Risikopools (§ 269 SGB V) angepasst wurde.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 145 i. d. F. des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) übernahm die Möglichkeit der Vereinigung von Ortskrankenkassen durch Hoheitsakt (Rechtsverordnung), erleichtert jedoch durch die Herabsetzung der Voraussetzungen die Zwangsvereinigung, da die bisherige Regelung nicht genutzt wurde (BT-Drs. 12/3608 S. 108).
Rz. 3
Weggefallen ist die Durchführung eines kasseninternen Finanzausgleiches gemäß § 266 (i. d. F. bis 31.12.1992), der bei einem den Durchschnitt um mehr als 10 % übersteigenden Bedarfssatz vorgeschrieben war und ab 1.1.1994 durch den allgemeinen Finanzausgleich ersetzt wird, bevor eine Zwangsvereinigung möglich war. Für die in das Ermessen gestellte Vereinigung (Abs. 1) ist nicht mehr erforderlich, dass nach dem Antrag 12 Monate abgewartet werden muss, während der den Selbstverwaltungen die Möglichkeit der freiwilligen Vereinigung eingeräumt ist.
Rz. 4
Neu ist die in Abs. 2 vorgesehene Verpflichtung der Landesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung, wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen und Bemühungen um eine freiwillige Vereinigung innerhalb von 12 Monaten erfolglos bleiben. Bei nunmehr auch länderübergreifend zulässigen Zwangsvereinigungen tritt an die Stelle der Rechtsverordnung die Form des Staatsvertrages (Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 143 Abs. 3). Der Bedarfssatz wird in Abs. 3 der Neuregelung des Risikostrukturausgleiches nach § 266 angepasst.
Rz. 5
§ 145 gilt unabhängig und neben der Möglichkeit einer Rechtsverordnung zur Festsetzung einer Region nach § 143. Soweit ersichtlich ist nach § 145 Abs. 1 lediglich eine Vereinigung der bayerischen Ortskrankenkassen zur AOK Bayern erfolgt (VO v. 23.5.1995, BayGVBl. S. 245). Die ursprünglich vorgesehene Möglichkeit der Zwangsvereinigung durch die Aufsichtsbehörde nach § 221 Abs. 2, wenn ein Beschluss über Beitragssätze von mehr als 12 % nicht zustande kam, ist mit dem 1.1.1999 entfallen.
Rz. 5a
Da sich zwischenzeitlich alle Ortskrankenkasse auf Länderebene oder sogar darüber hinaus freiwillig vereinigt haben und sich aufgrund der bundeseinheitlichen gesetzlichen Beitragssätze nach §§ 241, 243 keine Abweichung eines Bedarfssatzes mehr feststellen lässt, ist die Regelung mangels Anwendungsbereich faktisch obsolet geworden.
2 Rechtspraxis
2.1 Rechtsverordnung nach Abs. 1
2.1.1 Voraussetzungen für die Rechtsverordnung
2.1.1.1 Antrag
Rz. 6
Von der Ermächtigung zum Erlass einer Rechtsverordnung kann die Landesregierung nur auf Antrag Gebrauch machen. Der Antrag ist von der "notleidenden" Ortskrankenkasse oder vom Landesverband der Ortskrankenkassen zu stellen, dem die "notleidende" Ortskrankenkasse angehört. Der Antrag ist Tatbestandsvoraussetzung für den Erlass der Rechtsverordnung über die Zwangsvereinigung, so dass die Rücknahme des Antrages den Erlass der Rechtsverordnung ausschließt. Allerdings muss die Rücknahme des Antrages vor deren Erlass erfolgen.
Rz. 7
§ 145 Abs. 1 überlässt somit die Initiative zum Erlass der Rechtsverordnung mit dem Antragserfordernis der Ortskrankenkasse bzw. deren Landesverband. Hintergrund dafür dürfte die Überlegung sein, dass ein solcher Antrag erst und nur dann gestellt wird, wenn freiwillige Vereinigungsversuche gemäß § 144 am Widerstand wirtschaftlich leistungsfähigerer Ortskrankenkassen gescheitert sind. Insoweit führte die Regelung vor dem 1.1.1993, die den Erlass einer Rechtsverordnung erst zuließ, wenn innerhalb von 12 Monaten nach Antragstellung keine freiwillige Vereinigung zustande kam, lediglich zu einer Verzögerung bei der Zwangsvereinigung. Auch wenn § 145 von Amts wegen eine Zwangsvereinigung nicht zulässt, hat die Landesregierung nunmehr durch § 143 die Möglichkeit der Zwangsvereinigung ohne Antrag durch Festsetzung einer Region der Ortskrankenkasse durch Rechtsverordnung (vgl. Komm. zu § 143).
Rz. 8
Da die vorhandene Leistungsfähigkeit oder ein überdurchschnittlicher Bedarfssatz für sich noch keinen Rechtsverstoß darstellen, kann die Aufsichtsbehörde die Ortskrankenkasse oder deren Landesverband nicht verpflichten, einen Antrag gemäß § 145 zu stellen oder ihn im Wege der Ersatzvornah...