0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 5 Nr. 12 des Gesetzes für einen fairen Kassenwettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung (Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz – GKV-FKG) v. 22.3.2020 (BGBl. I S. 604) mit Wirkung zum 1.4.2020 eingeführt worden. Die Norm gehört zum neugestalteten Haftungssystem, mit dem historisch entstandene Verwerfungen im Wettbewerb der Krankenkassen beseitigt werden und tritt an die Stelle des bisherigen § 171e. Die Krankenkassen sind verpflichtet, Deckungskapital für ihre Versorgungszusagen zu bilden. Bis zum GKV-FKG war in der Norm die Schließung von Ersatzkassen geregelt.
Rz. 1a
Art. 1 Nr. 50 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz – GVWG) v. 11.7.2021 (BGBl. I S. 2754) hat mit Wirkung zum 20.7.2021 Abs. 4 Satz 3 geändert. Es handelt sich um eine redaktionelle Anpassung des Verweises auf den neuen § 271 Abs. 7 infolge der Neufassung der Vorschrift durch das Gesundheitsversorgungs- und Pflegeverbesserungsgesetz.
Rz. 1b
Art. 6 Nr. 5 des Achten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze (8. SGB IV-Änderungsgesetz – 8. SGB IV-ÄndG) v. 20.12.2022 (BGBl. I S. 2759) hat mit Wirkung zum 1.1.2023 Abs. 3 aufgehoben. Die Regelung wird in die allgemeine Vorschrift des § 83 Abs. 1b Nr. 2 SGB IV überführt.
Rz. 1c
Art. 8i des Gesetzes zur Stärkung der hochschulischen Pflegeausbildung, zu Erleichterungen bei der Anerkennung ausländischer Abschlüsse in der Pflege und zur Änderung weiterer Vorschriften (Pflegestudiumstärkungsgesetz) v. 12.12.2023 (BGBl. I Nr. 359) hat Abs. 1 Satz 6 mit Wirkung zum 16.12.2023 angefügt. Eine vorgezogene Zuführung von Geldmitteln für zukünftige Haushaltsjahre ist im Haushaltsjahr 2024 ausgeschlossen.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Krankenkassen werden verpflichtet, ein Deckungskapital für diejenigen Versorgungszusagen aufzubauen, die eine direkte Einstandspflicht der Krankenkasse als Arbeitgeber vorsehen. Dies muss im Zeitraum vom 1.1.2010 bis zum 31.12.2049 geschehen.
Rz. 3
Das Deckungskapital ist grundsätzlich zweckgebunden. Im Insolvenzfall gehört es nicht zur Insolvenzmasse, sondern verbleibt zur Abdeckung der Versorgungszusagen (§ 35 InsO, vgl. auch BT-Drs. 16/10070 S. 7).
Rz. 4
Die Bildung des Deckungskapitals kann durch mehrere Krankenkassen bei einem gemeinsamen Träger, wie etwa einer gemeinsamen Pensionskasse, erfolgen.
Rz. 4a
Ein begrenzter Teil des Deckungskapitals kann in Aktien angelegt werden.
2 Rechtspraxis
2.1 Betroffene Versorgungszusagen (Abs. 1)
2.1.1 Einstandspflicht und Beihilfe (Satz 1)
Rz. 5
Die Verpflichtung zum Aufbau des Deckungskapitals trifft Krankenkassen, die eine direkte Einstandspflicht als Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 Satz 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) für Versorgungszusagen haben. Aufgrund der Beschäftigung von DO-Angestellten (vgl. Komm. zu § 169) betrifft die Vorschrift daher insbesondere Orts- und Innungskrankenkassen. Die Norm gilt nicht für die Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau als Träger der Krankenversicherung der Landwirte, die die Krankenversicherung nach dem Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte durchführt und in Angelegenheiten der Krankenversicherung die Bezeichnung landwirtschaftliche Krankenkasse führt (§ 17 Satz 3 KVLG 1989). Ebenfalls ausgenommen ist die Knappschaft als Bestandteil der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Die knappschaftliche Krankenversicherung ist als unselbstständige Abteilung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See in einen Verwaltungsverbund integriert und nicht als Krankenkasse in der Rechtsform einer selbstständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts tätig.
Rz. 6
Eine direkte Einstandspflicht liegt vor, wenn der Arbeitgeber dem Beschäftigten zusagt, selbst und ohne Einschaltung eines Dritten Leistungen der Altersversorgung zu gewähren. Der Beschäftigte verfügt dabei über einen unmittelbaren Anspruch gegen den Arbeitgeber, der Träger der Versorgung ist. Für die unter § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG fallenden Versorgungszusagen gilt das, wenn Durchführungswege gewählt wurden, die eine Beitragspflicht zur Insolvenzsicherung nach § 10 BetrAVG ausgelöst haben (u. a. Direktzusage, Unterstützungskasse und Pensionsfonds, BT-Drs. 16/9559 S. 22).
Rz. 7
Die Verpflichtung zum Aufbau des Deckungskapitals betrifft daher nicht Krankenkassen, soweit sie Versorgungszusagen über eine Pensionskasse, eine Direktversicherung der in § 7 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BetrAVG bezeichneten Art oder einen versicherungsförmig ausgestalteten Pensionsfonds erteilt haben. Diese Durchführungswege gewährleisten eine versicherungsförmige Absicherung der Pensionsverpflichtungen, sodass der Aufbau eines ausreichenden Deckungskapitals bereits dadurch sichergestellt ist. Die Beachtung der entsprechenden gesetzlichen Vorgaben ist nach Auffassung des Gesetzgebers dadurch sichergestellt, dass die entsprechenden Träger der Aufsicht der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht unterstehen. Bei unmittelbaren Versorgungszusagen und Unterstützungskassen besteht eine derartige Sicherung je...