Rz. 6
Durch die Genehmigung der Satzung oder einzelner Satzungsbestimmungen werden Rechtsverstöße nicht geheilt (BSG, Urteil v. 25.2.1966, 3 RK 38/65, BSGE 24 S. 266 = USK 6604) und die Satzung nicht der rechtlichen Überprüfung durch die Gerichte entzogen. Ein Normenkontrollverfahren, wie z. B. § 47 VwGO, kennt das SGG allerdings nicht. Die Gerichte können aber im Rahmen eines Klageverfahrens, bei dem es auf die Satzungsregelung ankommt, (inzident) überprüfen, ob die Satzung sich im Rahmen der Ermächtigungsgrundlage hält und mit höherrangigem Recht vereinbar ist. Dies gilt auch für eine von der Aufsichtsbehörde im Wege der Ersatzvornahme erlassene Satzung. Zwar haben solche inzident getroffenen Entscheidungen über den Einzelfall hinaus keine unmittelbaren rechtlichen Folgen für die Satzung, insbesondere höchstrichterliche Rechtsprechung kann aber zur Nichtanwendbarkeit einzelner Satzungsbestimmungen wegen Verstoßes gegen höherrangiges Recht führen. Desgleichen kann und wird die Aufsichtsbehörde anlässlich solcher Entscheidungen auch zu der Rechtserkenntnis kommen, dass die Satzung oder einzelne Bestimmungen in dieser Fassung nicht oder nicht so hätten genehmigt werden dürfen und nach Abs. 2 auf eine Änderung der Satzung hinwirken.
Rz. 7
An diese rechtsfehlerhafte Genehmigung knüpft die Regelung des Abs. 2 an, die der Aufsichtsbehörde die Befugnis gibt, trotz vorheriger eigener Genehmigung gegenüber der Krankenkasse eine Änderung ihrer Satzung anzuordnen. Eine solche eigenständige Aufsichtsmaßnahme ist erforderlich, weil die einmal erteilte Genehmigung als rechtsgestaltende Entscheidung nicht zurückgenommen oder widerrufen werden kann (vgl. BSG, Urteil v. 16.7.1996, 1 RR 3/95, NZS 1997 S. 140). Geht man davon aus, dass die Genehmigung der Satzung oder einzelner Satzungsregelungen einen Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X gegenüber dem Sozialversicherungsträger darstellt (vgl. BSG, Urteil v. 16.7.1996, 1 RR 3/95, SozR 3-2200 § 700 Nr. 1), stellt Abs. 2 eine Sonderregelungen sowohl gegenüber den §§ 44ff. SGB X als auch gegenüber § 89 SGB IV dar (vgl. auch Gesetzesbegründung in BT-Drs. 11/2237 S. 218). Während § 89 SGB IV als aufsichtsbehördliche Maßnahme vorsieht, dass die Aufsichtsbehörde zunächst beratend darauf hinzuwirken hat, dass die Rechtsverletzung behoben wird, ist hier die Anordnung der Satzungsänderung unter Fristsetzung möglich und ausdrücklich vorgesehen.
Rz. 8
Diese Anordnungsbefugnis ist zwar als "Kann-Regelung" ausgestaltet, es scheint jedoch zweifelhaft, ob das "kann" wirklich für eine notwendige oder mögliche Ermessensentscheidung der Aufsichtsbehörde steht (so z.B. Baier, in: Krauskopf, SozKV SGB V, § 195 Rz. 6, Stand: März 2009; Bloch, in: Eichenhofer/Wenner, SGB V, 2. Aufl., § 195 Rz. 7; Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V § 195 Rz. 7; Stand: Januar 2010) oder nicht vielmehr als "Ermächtigungs-Kann" anzusehen ist (offengelassen in BSG, Urteil v. 10.5.1995, 1 RR 2/94, BSGE 76 S. 93, und Urteil v. 24.4.2002, B 7/1 A 4/00 R, BSGE 89 S. 213). Gegen eine mögliche Ermessensentscheidung oder einer Entscheidung nach dem Opportunitätsprinzip spricht, dass eine Rechtsaufsicht keinen Spielraum für eine Ermessensentscheidung lässt. In Fällen einer genehmigten, aber als rechtsfehlerhaft erkannten Satzungsbestimmung besteht eine Pflicht zum Einschreiten zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes, dies insbesondere dann, wenn die Gefahr besteht, dass aufgrund dieser gegen höherrangiges Recht verstoßenden Satzung zu hohe oder zu geringe Beiträge (entgegen § 76 SGB IV) erhoben oder Leistungen entgegen den gesetzlichen Bestimmungen gewährt werden (entgegen § 194 Abs. 2, § 31 SGB I). Es dürfte daher der Verpflichtung der Aufsichtsbehörde als Rechtsaufsicht entsprechen, diesen rechtswidrigen Zustand der Satzung durch aufsichtsrechtliches Einschreiten zu beseitigen. Eine Pflicht zum Einschreiten besteht zudem dann, wenn aus Gleichbehandlungsgrundsätzen kein Ermessensspielraum besteht (vgl. BSG, Urteil v. 10.5.1995, 1 RR 2/94, BSGE 76 S. 93).
Rz. 9
Der Aufsichtsbehörde ist nicht nur die Anordnungsbefugnis zur Satzungsänderung eingeräumt, sondern auch zur Durchsetzung der Anordnung auch das Recht zur Fristsetzung und das Recht der Ersatzvornahme bei Fristablauf. Eine bestimmte Frist ist, anders als in § 326 Abs. 2 RVO, nicht vorgeschrieben. Die Frist ist einerseits so zu bemessen, dass der Verwaltungsrat nach § 197 Abs. 1 Nr. 1 die notwendige Satzungsänderung beschließen kann, andererseits aber nicht zu lang sein sollte, um einen längeren rechtswidrigen Satzungszustand zu vermeiden. Nach fruchtlosem Fristablauf ist die Aufsichtsbehörde berechtigt, die erforderliche Satzungsänderung selbst vorzunehmen und entsprechend den Bestimmungen der Satzung (§ 194 Abs. 1 Nr. 11) bekannt zu machen. Auch diese Satzungsänderung bindet die Versicherten und Dritte und ist auch für die Krankenkasse selbst verbindliches "eigenes" Recht.
Rz. 9a
Mit Wirkung zum 1.1.2009 wurde durch das GKV-OrgWG der Satz 3 angefügt, wonach Klagen gegen Maß...