Rz. 20
Abs. 4 macht es zur öffentlich-rechtlichen Verpflichtung für Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit zu beachten und dafür Sorge zu tragen, dass die Leistungen nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden (so BT-Drs. 11/2237 S. 158). Dies schließt ein, dass Leistungserbringer ggf. die Verordnungen anderer Leistungserbringer zu überprüfen haben (vgl. BSG, Urteil v. 27.10.2009, B 1 KR 4/09 R). Dieses Gebot der Wirtschaftlichkeit kollidiert bei den Leistungserbringern zumeist allerdings mit deren eigenen Interessen an der Einkommenserzielung (so auch Vossen, in: Krauskopf, SozKV SGB V, § 2 Rz. 32, Stand: Februar 2024). Wie oben (Rz. 5) ausgeführt, ist den Krankenkassen in manchen Fällen nicht notwendiger oder teurer Leistungserbringung der Einwand der Unwirtschaftlichkeit abgeschnitten. Zumal dann, wenn die Leistungspflicht der Krankenkassen durch die Leistungserbringer (insbesondere Ärzte) im Rahmen der Therapiefreiheit erst konkretisiert wird, sind die Krankenkassen an diese Entscheidung der medizinischen Notwendigkeit gebunden. Etwaige Regressmöglichkeiten können dann nur nach den Grundsätzen des Kassenarztrechtes entstehen. Die Versicherten sind zumeist nicht in der Lage, über die Notwendigkeit einer Behandlung entscheiden zu können und haben wegen des Sachleistungsgrundsatzes zumeist auch kein wirtschaftliches Eigeninteresse an einer wirtschaftlichen und kostengünstigen Leistungserbringung, sondern eher ein Interesse an einer Ausdehnung der ihnen zugute kommenden Leistungen. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die eher aus ästhetischen und/oder kosmetischen Gründen begehrten Leistungen (vgl. Prehn, NZS 2010, 260; BSG, Urteile v. 19.10.2004, B 1 KR 28/02 R, und B 1 KR 9/04 R).
Rz. 20a
Dieses Gebot der Wirtschaftlichkeit, das die Notwendigkeit und (anerkannte) Wirksamkeit der Leistungen einschließt, richtet sich auch an die Versicherten, die daher dem Grunde nach auch keine "unwirtschaftlichen" Leistungen verlangen können, wie dies § 12 Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich vorsieht. Dazu steht § 13 Abs. 3a mit seinen Fristen für die Entscheidung über einen gestellten Leistungsantrag und den sich daraus ergebenden Folgen in einem gewissen Widerspruch. Bei unterlassener oder nicht ordnungsgemäßer (und fristgerechter) Mitteilung über die Gründe für die Nichteinhaltung der Entscheidungsfristen, tritt nach Ablauf der Fristen des § 13 Abs. 3a Satz 1 oder Satz 4 nach Satz 6 eine Genehmigungsfiktion in Kraft, d. h., die beantragte Leistung gilt als durch Verwaltungsakt i. S. d. § 31 SGB X bewilligt. Einer Bekanntgabe dieses fingierten und letztlich fiktiven Verwaltungsaktes bedarf es nicht (BSG, Urteil v. 11.7.2017, B 1 KR 26/16 R). Aus der Genehmigungsfiktion folgt jedoch kein Naturalleistungsanspruch mehr, sondern nur noch bei Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch ohne Begrenzung auf die sonst der Krankenkasse bei einer Sachleistung entstanden Kosten (§ 13 Abs. 3a Satz 7). Diese Genehmigungsfiktion greift auch dann ein, wenn die beantragte Leistung gar nicht zum Leistungsspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung gehört oder sogar durch den Gemeinsamen Bundesausschuss ausgeschlossen ist (vgl. BSG, Urteil v. 11.7.2017, B 1 KR 1/17 R). Die Begrenzung auf "erforderliche Leistungen" in § 13 Abs. 3a enthält nach der Rechtsprechung des BSG nur eine Beschränkung auf subjektiv von den Berechtigten für erforderlich gehaltene Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegen. Wenn insoweit aber nur die subjektive Erforderlichkeit einer Leistung, ggf. aufgrund ärztlicher Beratung, Voraussetzung für die Genehmigungsfiktion einer beantragten Leistung sein soll, wird dadurch der Leistungsanspruch der Versicherten nicht nur über das Leistungs- und Leistungserbringungsrecht hinaus erweitert, sondern gerade auch das Wirtschaftlichkeitsgebot des Abs. 4 ausgehebelt. Da § 13 Abs. 3a nur auf einen konkreten Antrag (i. S. v. § 19 Abs. 1 SGB IV) abstellt, kann die Genehmigungsfiktion sich letztlich auch auf Ansprüche nach Abs. 1a beziehen und zu einem Leistungsanspruch ohne die gesetzlichen Voraussetzungen führen.
Rz. 20b
Ob diese Leistungsausweitung mit der Sanktionsregelung bei "verzögerten" Entscheidungen nach § 13 Abs. 3a sinnvoll ist oder wirklich beabsichtigt worden war, ist zu bezweifeln. In § 18 Abs. 3 SGB IX ist nunmehr eine vergleichbare Genehmigungsfiktion vorgesehen. Dies spräche für eine Bestätigung der Rechtsprechung des BSG zum Krankenversicherungsrecht (vgl. dazu Ulmer, SGb 2017, 567). § 18 Abs. 4 SGB IX sieht für die als genehmigt geltende Leistung als Rechtsfolge aber nur vor, dass der leistende Rehabilitationsträger zur Erstattung der Aufwendungen für selbstbeschaffte Leistungen verpflichtet ist, nicht jedoch die Leistung als solche zu gewähren hat. Der Erstattungsanspruch ist zudem nach § 18 Abs. 5 SGB IX ausgeschlossen, wenn und soweit kein Anspruch auf Bewilligung der selbstb...