2.1 Gesundheitsuntersuchungen (Abs. 1 Satz 1 und 2)
Rz. 6
Versicherte Kinder und Jugendliche haben seit der Änderung der Norm durch das Präventionsgesetz (vgl. Rz. 2a) mit Wirkung zum 25. 7. 2015 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, die ihre körperliche, geistige oder psycho-soziale Entwicklung in nicht geringfügigem Maße gefährden. Für die Berechnung des Lebensalters gilt § 26 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 187 Abs. 2 und § 188 Abs. 2 HS 2 BGB.
Der Gesetzgeber hatte sich ursprünglich für das 6. Lebensjahr als Grenze entschieden, weil eine Untersuchung vor Schulbeginn aus präventiver Sicht, z. B. zur Früherkennung von Seh- und Hörstörungen, wichtig erschien, und erwartet wurde, dass auch die Eltern zu diesem Zeitpunkt einer Untersuchung besonders aufgeschlossen gegenüberstehen (BT-Drs. 11/2237 S. 170). Nunmehr weitet Abs. 1 Satz 1 das Untersuchungsprogramm durchgängig bis zum 18. Lebensjahr aus. Grundlage hierfür sind unter anderem die Erkenntnisse, die aus der vom Robert-Koch-Institut durchgeführten "Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland – KiGGS" (www.Kiggs-studie.de/deutsch/studie.html) gewonnen wurden. Diese Studie wird seit 2009 als Bestandteil des Gesundheitsmonitorings am Robert-Koch-Institut als Langzeitstudie fortgeführt. Danach treten während der Pubertät besondere gesundheitliche Belastungen und Risiken auf.
Rz. 7
Nach Satz 2 beinhalten die Untersuchungen auch eine Erfassung und Bewertung gesundheitlicher Risiken einschließlich einer Überprüfung der Vollständigkeit des Impfstatus sowie eine darauf abgestimmte präventionsorientierte Beratung einschließlich Informationen zu regionalen Unterstützungsangeboten für Eltern und Kind. Der untersuchende Arzt oder die untersuchende Ärztin müssen über vordringliche Gesundheitsrisiken informieren, die für die betreffende Altersgruppe des Kindes relevant sind bzw. dem individuellen Risikoprofil des Kindes entsprechen.
2.2 Präventionsempfehlung (Abs. 1 Satz 3 und 4)
Rz. 8
Die Gesundheitsuntersuchungen umfassen ebenso wie bei Erwachsenen gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 nunmehr gemäß Abs. 1 Satz 3 auch für Kinder und Jugendliche eine Präventionsempfehlung für Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention nach § 20 Abs. 5, sofern dies medizinisch angezeigt ist. Die Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention richten sich nicht nur an die Kinder und Jugendlichen selbst, sondern – insbesondere bei Kindern im Säuglings- und Kleinkindalter – an die Eltern oder andere Sorgeberechtigte. Gemäß Abs. 1 Satz 4 wird die Präventionsempfehlung in Form einer ärztlichen Bescheinigung erteilt. Sie ist nach § 20 Abs. 5 bei der Entscheidung der Krankenkassen über die Erbringung von primärpräventiven Leistungen zur verhaltensbezogenen Prävention zu berücksichtigen. Die Einzelheiten zum Inhalt der Präventionsempfehlungen sind vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien über Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 festzulegen. Präventionsorientierte Informationen waren in der aktuellen Kinder-Richtlinie und in der Richtlinie zur Jugendgesundheitsuntersuchung (vgl. Rz. 15 ff.) enthalten.
Rz. 9
Für den Anspruch auf die Untersuchungen kommt es nicht auf die Art des Versicherungsverhältnisses an. Deshalb haben sowohl selbstversicherte Kinder und Jugendliche (Halbwaisen-/Waisenrentner) als auch freiwillig oder nach § 10 familienversicherte Kinder und Jugendliche Anspruch auf die Gesundheitsuntersuchungen. Auch können die Leistungen im Rahmen des nachgehenden Leistungsanspruchs nach § 19 Abs. 2 in Betracht kommen.
Rz. 10
Eine Gefährdung der Entwicklung des Kindes/Jugendlichen liegt vor, wenn die Krankheit zu erheblichen Veränderungen in der voraussehbaren Entfaltung der Anlagen des Kindes/Jugendlichen und des altersgerechten Entwicklungsverlaufs führen kann. Die körperliche und/oder geistige Entwicklung des Kindes/Jugendlichen müssen bedroht sein. Dabei muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein, dass sich beim Kind eine Fehlentwicklung vollzieht, die von dem für das Lebensalter typischen, normalen Entwicklungszustand eines heranwachsenden Kindes/Jugendlichen mehr als geringfügig abweicht. Entsprechend der Zielsetzung des Präventionsgesetzes rücken dabei Entwicklungs- und Verhaltensstörungen wie ein kognitiver Entwicklungsrückstand, Störungen der emotionalen oder sozialen Entwicklung und Krankheiten oder Umstände, die die psychosoziale Entwicklung gefährden, verstärkt in den Blickpunkt.
2.3 Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten (Abs. 1 Satz 5 und 6)
Rz. 11
Der Anspruch auf Untersuchung auf Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten dient der Erkennung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten und der Vorbeugung von Karies und Gingivitis. Weiterhin sollen dadurch Neuerkrankungen festgestellt und bewirkt werden, dass eine Behandlung frühzeitig eingeleitet und ein Fortschreiten der Erkrankung verhindert wird. Mit den Früherkennungsuntersuchungen sollen insbesondere die Kinder betreut werden, die keine Einrichtungen besuchen, die gruppenprophylaktische Maßnahmen durchführen. Vor allem sollen die Kinder betreut werden, die ein hoh...