0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 298 ist durch das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheitsreformgesetz – GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) mit Wirkung zum 1.1.1989 eingeführt worden. Es wird die versichertenbezogene Datenübermittlung in einem Prüfverfahren geregelt. Die Vorschrift wurde durch das Zweite Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs (2. SGBÄndG) v. 13.6.1994 (BGBl. I S. 1994) mit Wirkung zum 1.7.1994 geändert. Die versichertenbezogene Übermittlung von Angaben über ärztliche oder ärztlich verordnete Leistungen ist auch für die Beurteilung der Qualität der ärztlichen Behandlungs- und Verordnungsweisen zulässig.
1 Allgemeines
Rz. 2
Die Vorschrift schafft die datenschutzrechtliche Grundlage für die Übermittlung von versichertenbezogenen Angaben bei Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität an die Prüfungsstellen (§ 106c) oder an die Kassenärztlichen Vereinigungen (§ 135b Abs. 2 Satz 1). Der Begriff "Angaben" umfasst sowohl Originalbelege (Abrechnungs- und Überweisungsscheine sowie Verordnungsvordrucke) als auch auf Datenträgern gespeicherte Daten der Versicherten (Koch, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl., § 298 Rz. 7 m. w. N.).
2 Rechtspraxis
2.1 Übermittlung personenbezogener Daten in Prüfverfahren
Rz. 3
Die Regelung stellt eine Ergänzung zu § 296 dar. Nach § 296 sind und dürfen für Wirtschaftlichkeitsprüfungen nach § 106 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 lediglich Daten ohne konkreten Bezug zu einem Versicherten übermittelt werden. § 298 ermöglicht demgegenüber weitergehend die auch personenbezogene Offenbarung von Krankheitsdaten des Versicherten durch Vorlage der Originalbelege von Abrechnungs- und Überweisungsscheinen sowie Verordnungen über die durchgeführten Behandlungen für das Prüfverfahren (BT-Drs. 11/3480 S. 70). Zu offenbaren sind auch digitale Daten des Versicherten.
Rz. 4
Mit dem Prüfverfahren ist nicht nur das Verfahren über die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung vor den Prüfungsstellen und Beschwerdeausschüssen (§ 106c) zu verstehen. Von der Vorschrift wird auch die Abrechnungsprüfung nach § 106d, die Qualitätsprüfung nach § 135b Abs. 2 sowie das Prüfverfahren zur Feststellung eines sonstigen Schadens bei zahnärztlicher Behandlung nach § 29 Satz 2 erfasst (BayLSG, Urteile v. 23.9.1998, L 12 KA 518/97, und v. 9.11.2005, L 3 KA 5012/04 – Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch BSG, Beschluss v. 19.7.2006, B 6 KA 5/06 B – die Verfassungsbeschwerde gegen den Beschluss des BSG wurde nicht zur Entscheidung angenommen durch BVerfG, Beschluss v. 2.11.2006, 1 BvR 2642/06; Didong/Koch, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 298 Rz. 7).
Rz. 5
Im Rahmen der Prüfverfahren ist es im Einzelfall notwendig, die konkrete Behandlungsweise und Verordnungspraxis zu überprüfen. Dabei kann es erforderlich werden, dass auch versichertenbezogene konkrete Daten über die erbrachten und verordneten Leistungen zu übermitteln sind oder jedenfalls – so die frühere Gesetzesfassung – Daten, die versichertenbeziehbar sind. Die Datenübermittlung erfolgt an die Prüfungsstellen bzw. Beschwerdeausschüsse.
2.2 Übermittlung zur Qualitätssicherung
Rz. 6
Durch die mit dem 2. SGBÄndG mit Wirkung zum 1.7.1994 vorgenommene Ergänzung der Vorschrift ist nunmehr die Offenbarung personenbezogener Daten auch im Rahmen der Stichprobenprüfung nach § 136 Abs. 2 zulässig. Diese Prüfungen über rein medizinische Qualitätsfragen (vgl. die Komm. zu § 136) führen die Kassenärztlichen Vereinigungen durch. Dementsprechend sind Prüfungen nur durch Einsicht in die Behandlungsunterlagen mit den darin enthaltenen personenbezogenen Daten der Versicherten möglich.
Rz. 7
Die durch § 298 gesetzlich normierte Zulässigkeit der Weitergabe personenbezogener Daten gegenüber den prüfenden Stellen bedeutet, dass die Einwilligung zur Datenübermittlung vom betroffenen Versicherten nicht eingeholt werden muss und dass sich die Ärzte insoweit nicht auf ihre ärztliche Schweigepflicht berufen können, wenn entsprechende Unterlagen angefordert werden (vgl. hierzu LSG für das Saarland, Urteil v. 1.4.1998, L 3 KA 19/96 – Nichtzulassungsbeschwerde verworfen durch BSG, Beschluss v. 17.12.1998, B 6 KA 63/98). Der Weigerung, Unterlagen vorzulegen, kann mit Disziplinarmaßnahmen begegnet werden (BayLSG, Urteile v. 23.9.1998, L 12 KA 518/97, und v. 9.11.2005, L 3 KA 5012/04).
3 Literatur
Rz. 8
Kirchhoff, Datenübermittlung durch Krankenkasse an Staatsanwaltschaft bei Betrugsverdacht?, jurisPR-SozR 22/2021 Anm. 5.