2.7.1 Rechtszustand bis zum 31.12.2003 (Abs. 1 Satz 4 bis 7)
Rz. 18
Versicherte hatten nach Vollendung des 14. Lebensjahres bei gleichbleibender Sehfähigkeit grundsätzlich keinen Anspruch auf Versorgung mit einer neuen Sehhilfe mehr. Vielmehr musste, um den Anspruch nach Abs. 1 erneut auszulösen, eine Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien vorliegen. Allerdings konnten die Richtlinien nach § 100 in medizinisch zwingend erforderlichen Fällen Ausnahmen zulassen.
Sollte anfänglich der Anspruch auf Instandsetzung oder Ersatz einer beschädigten Brille ohne Einschränkung unabhängig von der Veränderung der Sehfähigkeit bestanden haben (vgl. Begründung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drs. 11/3480 S. 154), so bestimmte die VO für Hilfsmittel von geringem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (vgl. BABl. 2/1990 S. 117) in § 3, dass Instandsetzungen von Brillengestellen für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet hatten, einschließlich Aufarbeitung einer vorhandenen Fassung von der Versorgung ausgeschlossen waren. Bei völligem Verlust der Sehhilfe sollte ein Anspruch auf Ersatzbeschaffung uneingeschränkt bestehen (vgl. BSG, Urteil v. 6.8.1987, 3 RK 21/86).
Rz. 19
Zu den Kosten eines Brillengestells zahlte die Kasse seit 1.1.1997 keinen Zuschuss mehr. Der Gesetzgeber hatte mit dieser durch das BeitrEntlG eingeführten Regelung dem Umstand Rechnung getragen, dass ein großes Angebot an preisgünstigen und qualitativ guten Brillengestellen auf dem Markt vorhanden war. Ein Versicherter gab schon seinerzeit durchschnittlich ca. 200,00 EUR (bis 31.12.2001: 400,00 DM) für eine Brille aus, der Zuschuss der Kasse nach altem Recht betrug also weniger als 5 %. Der durchschnittliche Wiederbeschaffungsrhythmus für eine Brille lag bei 3 bis 4 Jahren. Dies ließ es als zumutbar erscheinen, dem Versicherten die Kosten des Brillengestells in voller Höhe aufzuerlegen.
2.7.2 Rechtszustand ab 1.1.2004
Rz. 20
Seit 1.1.2004 haben nur noch Kinder und Jugendliche bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres sowie schwer sehbeeinträchtigte Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen. Die übrigen Versicherten müssen für die Kosten in vollem Umfang selbst aufkommen. Über die genannten Personenkreise hinaus besteht für Versicherte im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung kein Leistungsanspruch auf die Versorgung mit Sehhilfen. Der Gesetzgeber geht nämlich davon aus, dass auf der Grundlage des bis zum 31.12.2003 geltenden Rechts der Sachleistungsanteil der Krankenkassen bei der Versorgung mit Sehhilfen gegenwärtig im Durchschnitt rd. 50,00 EUR betragen hat. Obwohl dieser Betrag eine medizinisch notwendige Versorgung finanziell vollständig abdeckt, sind Versicherte im Durchschnitt bereit, darüber hinaus schätzungsweise rd. 150,00 EUR für medizinisch nicht notwendige Leistungen (z. B. Entspiegelung und/oder Tönung der Gläser) auszugeben. Sie haben damit aus nicht medizinischen Gründen schätzungsweise 70 bis 80 % der Gesamtkosten einer Sehhilfenversorgung getragen. Vor diesem Hintergrund wird davon ausgegangen, dass die Leistungsausgrenzung erwachsene Versicherte grundsätzlich finanziell nicht überfordert. Zudem geht der Gesetzgeber davon aus, dass sich der Wettbewerb auf dem Markt für Sehhilfen durch die vorgenommene Ausgrenzung zum Vorteil der Konsumenten intensivieren wird. Dass dies möglich sei, zeigten die zahlreichen Angebote preisgünstiger Sehhilfen im In- und Ausland (BT-Drs. 15/1525 S. 86).
Rz. 21
Bei Erwachsenen wird der Leistungsanspruch auf zwingend medizinisch notwendige Ausnahmefälle begrenzt. Derartige Ausnahmen liegen nach der amtl. Begründung (BT-Drs. 15/1525 S. 85) dann vor, wenn Versicherte aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung (WHO Technical Report Series No. 518 S. 1973), auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Nach dem Kodierungsschlüssel gemäß der Internationalen statistischen Klassifikation der Krankheiten und verwandten Gesundheitsprobleme, 10. Revision (ICD-10), betrifft dies Versicherte, die
- unter Sehschwäche beider Augen (Diagnoseschlüssel H54.2),
- Blindheit eines Auges und Sehschwäche des anderen Auges (Diagnoseschlüssel H54.1) oder
- Blindheit beider Augen (Diagnoseschlüssel H54.0) leiden.
Rz. 21a
Zusammenfassend regelt § 12 der HilfsM-Richtlinien die Verordnungsfähigkeit von Sehhilfen wie folgt:
(1) |
Eine Sehhilfe zur Verbesserung der Sehschärfe (§§ 13 bis 16) ist verordnungsfähig
- bei Versicherten bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres,
- bei Versicherten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, wenn sie aufgrund ihrer Sehschwäche oder Blindheit, entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung, auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Diese liegt unter anderem vor, wenn die Sehschärfe (Visus) bei bestmöglicher Korrektur mit einer Brillen- oder möglichen Kontak...
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