Rz. 5b
Der Anspruch auf Soziotherapie setzt eine schwere psychische Erkrankung des/der Versicherten voraus. Nach § 2 Abs. 4 der ST-RL sind schwere psychische Erkrankungen in diesem Sinne solche aus den Bereichen des schizophrenen Formenkreises (ICD-10-Nr. F 20.0 – 20.6 [Schizophrenie], 21 [schizotype Störung], 22 [anhaltende wahnhafte Störung], 24 [induzierte wahnhafte Störung] und 25 [schizoaffektive Störung]) und der affektiven Störungen (ICD-10-Nr. F 31.5 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer bipolaren affektiven Störung], 32.3 [schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen] und 33.3 [gegenwärtig schwere depressive Episode mit psychotischen Symptomen im Rahmen einer rezidivierenden depressiven Störung]). Bei der Verordnung von bis zu 5 Probestunden nach Maßgabe von § 5 Abs. 2 ST-RL genügt auch der Verdacht auf eine schwere psychische Erkrankung.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 ST-RL sind die Erkrankungen, die der Soziotherapie bedürfen, durch folgende (alternative oder kumulative) Fähigkeitsstörungen gekennzeichnet:
- Beeinträchtigung durch Störungen des Antriebs, der Ausdauer und der Belastbarkeit, durch Unfähigkeit zu strukturieren, durch Einschränkungen des planerischen Denkens und Handelns sowie des Realitätsbezuges,
- Störungen im Verhalten mit Einschränkung der Kontaktfähigkeit und fehlender Konfliktlösungsfähigkeit,
- Einbußen i. S. v. Störungen der kognitiven Fähigkeiten wie Konzentration und Merkfähigkeit, der Lernleistungen sowie des problemlösenden Denkens,
- krankheitsbedingt unzureichender Zugang zur eigenen Krankheitssymptomatik und zum Erkennen von Konfliktsituationen und Krisen.
Die Schwere der Fähigkeitsstörungen wird anhand der GAF Skala (Global Assessment of Functioning Scale) gemessen. Orientierungswert ist der Wert 40; der Wert 50 darf nicht überschritten werden.
Rz. 5c
Wird der GAF-Wert 40 unterschritten, erhalten nach § 2 Abs. 5 ST-RL schwer psychisch Erkrankte mit Diagnosen aus dem Bereich F00 bis F99, die nicht unter § 2 Abs. 4 genannt sind, in begründeten Einzelfällen eine Verordnung von Soziotherapie, wenn sich aufgrund der Gesamtsituation und nach fachärztlicher Einschätzung eine medizinische Erforderlichkeit insbesondere aus einem der nachfolgend genannten Kriterien ergibt:
- relevante Co-Morbiditäten (psychiatrische, wie z. B. Persönlichkeitsstörungen oder Suchterkrankungen, oder somatische, wie z. B. Mobilitätseinschränkungen oder chronische Schmerzerkrankungen),
- stark eingeschränkte Fähigkeit zur Planung, Strukturierung und Umsetzung von Alltagsaufgaben,
- eingeschränkte Fähigkeit zur selbstständigen Inanspruchnahme ärztlicher oder psychotherapeutischer sowie ärztlich oder psychotherapeutisch verordneter Leistungen sowie zur Koordination derselben oder
- stark eingeschränkte Wegefähigkeit.
Rz. 5d
Nach § 2 Abs. 6 ST-RL setzt die Verordnung von Soziotherapie auch Therapiefähigkeit voraus. Dies erfordert die Prognose, dass der Patient die Therapieziele erreichen kann. Hierzu soll er über die notwendige Belastbarkeit, Motivierbarkeit und Kommunikationsfähigkeit verfügen und in der Lage sein, einfache Absprachen einzuhalten. Diese Voraussetzung ist nicht gegeben, wenn beim Patienten keine langfristige Verminderung der in § 2 Abs. 2 ST-RL genannten Fähigkeitsstörungen und kein längerfristig anhaltendes Erreichen der sozialtherapeutischen Therapieziele zu erwarten ist.