2.8.1 Mindestbindungsfrist (Satz 1)
Rz. 16
Die Wahl eines Tarifs ist überwiegend mit einer Bindungsfrist verknüpft. Die Frist ist notwendig, um einen missbräuchlichen Wechsel zwischen Tarifen je nach Erwartung der Inanspruchnahme von Leistungen zu verhindern (BT-Drs. 16/3100 S. 109). Auch wegen der bei diesen Tarifen notwendigen langfristigen Kalkulationsgrundlage erscheint die Bindungsfrist angebracht. Ein Versicherter kann sich nicht auf die Bindungsfrist berufen, wenn er rechtswidrig zum Tarif zugelassen wurde. Die Aufhebung der Entscheidung ist vielmehr nach § 45 SGB X zu prüfen.
Bindungsfristen
Wahltarif |
Rechtsgrundlage – § 53 SGB V - |
Bindungsfrist – Jahre - |
Anmerkung |
Besondere Versorgungsformen |
Abs. 3 |
keine Bindungsfrist |
Die Versicherten sind durch die jeweiligen Vorschriften über die Versorgungsform an ihre Entscheidung gebunden. |
Teilkostenerstattung |
Abs. 7 |
keine Bindungsfrist |
Die Versicherten entscheiden sich für 2 Jahre für die Teilkostenerstattung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 SGB V). |
Nichtinanspruchnahme |
Abs. 2 |
1 |
Eine kurze Bindungsfrist erhöht die Attraktivität des Tarifs. |
Kostenerstattung |
Abs. 4 |
1 |
Eine kurze Bindungsfrist erhöht die Attraktivität des Tarifs. |
Selbstbehalt |
Abs. 1 |
3 |
Der Tarif erfordert eine langfristige Kalkulationsgrundlage. |
Krankengeld |
Abs. 6 |
3 |
Der Tarif erfordert eine langfristige Kalkulationsgrundlage. |
2.8.2 Sonderkündigung (Satz 2, 3)
Rz. 16a
Die Mitgliedschaft kann frühestens zum Ablauf der Mindestbindungsfrist, aber nicht vor Ablauf der Mindestbindungsfrist nach § 175 Abs. 4 Satz 1 gekündigt werden (Satz 2). Eine frühere Kündigung des Wahltarifs durch das Mitglied oder den Versicherten kann frühestens nach dem Ablauf der Mindestbindungsfrist wirksam werden. § 175 Abs. 4 Satz 6, wonach die Krankenkasse erstmals einen Zusatzbeitrag erhebt oder den Zusatzbeitragssatz erhöht , gilt für alle Wahltarife mit Ausnahme von Abs. 6 (Tarif zum Krankengeldanspruch).
Mit dem Tag, an dem alle Voraussetzungen für die Teilnahme an dem jeweiligen Wahltarif vorliegen und der in der Satzung der Krankenkasse bezeichnete Zeitpunkt (z. B. des die Teilnahmeerklärung folgenden Monats) vorliegen, beginnt die Frist zu laufen. Sie endet – entsprechend zu § 188 BGB – mit Ablauf des Tages des letzten Monats, welcher dem Tag vorangeht, der durch seine Benennung dem Anfangstag der Frist entspricht.
Die Regelung der Mindestbindungsfristen ist zwingend, so dass die Satzung der Krankenkasse keine längere Bindungsfrist für Wahltarife festlegen kann. Allerdings ist es ihr gestattet festzulegen, mit welcher Frist zum Ende des 3-Jahres-Zeitraums oder zu einem späteren Zeitpunkt der Wahltarif gekündigt werden kann bzw. um welchen Zeitraum sich ohne Kündigung die Bindung an den Wahltarif verlängert.
Rz. 17
Eine Mindestbindungsfrist gilt nicht für besondere Härtefällen (Satz 3). Das Sonderkündigungsrecht für Wahltarife in der Satzung der Krankenkasse stellt sicher, dass Versicherte in besonderen Härtefällen nicht an diesen Wahltarif gebunden sind, wenn den Versicherten wegen nicht vorhersehbarer Ereignisse (z. B. chronische Erkrankung oder Pflegebedürftigkeit) das Festhalten an einem Wahltarif nicht zugemutet werden kann. Nur außergewöhnliche Umstände sind als Härtefall anzusehen. So rechtfertigt eine Veränderung, die ein weiteres Festhalten am Tarif unzumutbar macht, eine Sonderkündigung (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 23.4.2009, L 5 B 15/09 KR E). Die Satzungen der Krankenkasse sollten hierbei zumindest einige Regelbeispiele für einen "besonderen Härtefall" nennen (LSG Nordrhein-Westfalen, a. a. O.; z. B., wenn dem Mitglied aufgrund eingetretener finanzieller Hilfebedürftigkeit oder bei Bezug von Leistungen nach SGB II oder SGB XII die Zahlung einer Prämie zur Absicherung des Krankengeldanspruchs nicht länger zugemutet werden kann).
2.8.3 Höhe der Prämienzahlung (Satz 4, 5)
Rz. 18
Die Prämienzahlung an Mitglieder ist begrenzt (Satz 4). Die Prämienzahlung an Versicherte darf
- für einen Tarif bis zu 20 % (maximal 600,00 EUR) und
- für mehrere Tarife 30 % (maximal 900,00 EUR)
der im Kalenderjahr vom Mitglied getragenen Beiträge betragen. Es werden nur die vom Mitglied (selbst) getragenen Beiträge berücksichtigt. Die vom Arbeitgeber oder Dritten getragenen Beitragsanteile werden nicht berücksichtigt. Werden die Beiträge vollständig von Dritten getragen, muss deren Beitragsleistung zugrunde gelegt werden.
Beitragszuschüsse nach § 106 SGB VI und § 257 Abs. 1 Satz 1 entlasten den Versicherten. Das Gesetz ist insoweit nicht präzise, weil es sich bei den genannten Zuschüssen zu einer freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung strenggenommen nicht um Beiträge oder Beitragsanteile zur Krankenversicherung handelt. Vielmehr tragen die genannten Versicherten den Beitrag für ihre freiwillige Krankenversicherung allein (§ 250 Abs. 2). Aus Gründen der Gleichbehandlung mit Pflichtversicherten bekommen sie einen Zuschuss des Trägers der Rentenversicherung bzw. des Arbeitgebers. Da sie insoweit im wirtschaftlichen Ergebnis keine Beitragsbelastung trifft, ist dem Gesetz sinngemäß zu entnehmen, dass die fraglichen Zuschüsse die Bemessungsgrundlage vermindern...