2.1 Ermächtigung (Abs. 1)
Rz. 12
Krankenkassen und ihre Verbände sind ermächtigt, Modellvorhaben im Bereich der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen von Leistungserbringung durchzuführen oder, wenn die Vorhaben wegen § 64 einer Vereinbarung mit den Leistungserbringern (Vertragsarztwesen, Krankenhausverträge) bedürfen, zu vereinbaren. Diese Vereinbarungen oder Verfahren müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung der sozialen Krankenversicherung (notwendige, wirtschaftliche Versorgung) bewegen und dem Ziel der Qualitätsverbesserung sowie der Erhöhung der Wirtschaftlichkeit dienen.
Rz. 13
Die Ermächtigung ist an die Krankenkassen und ihre Verbände adressiert. Dazu gehören die Landesverbände (§ 207), die Kassenartenverbände auf Bundesebene (vgl. Koch, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 63 Rz. 7) und die Kassenverbände der Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen (§ 218).
Rz. 14
Die Modellvorhaben müssen sich im Rahmen der gesetzlichen Aufgabenstellung zur Verbesserung der Qualität und der Wirtschaftlichkeit der Versorgung halten. Erklärte Ziele der Modellvorhaben sind damit die Qualitätsverbesserung und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung. Beide Ziele sind gemeinsam anzustreben. Modellvorhaben, die z. B. eine kostenneutrale Qualitätsverbesserung zum Ziel haben oder lediglich Kosten senken, sind nicht zulässig.
Rz. 15
Die Modellvorhaben dienen der Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung. Weiterentwicklung ist eine Optimierung bereits durchgeführter Prozesse.
Rz. 16
Modellvorhaben durchzuführen oder zu vereinbaren ist in das Ermessen der Krankenkassen und ihrer Verbände gestellt. Es ist zulässig, die Modellvorhaben zu bewerben, und Versicherten eine Liste der beteiligten Ärzte auszuhändigen (OLG München, Urteil v. 30.11.2000, 6 U 2849/00).
2.2 Alternative Heilmethoden (Abs. 2)
Rz. 17
Alternative Heilmethoden gehören nicht zum Leistungskatalog und damit nicht zur Regelversorgung der gesetzlichen Krankenversicherung. Beispielhaft ist auf die Akupunkturbehandlung hinzuweisen, die nach Modellversuchen durch den Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses v. 18.4.2006 als Therapie gegen chronische Rücken- und Knieschmerzen in die Regelversorgung aufgenommen wurde.
Rz. 18
Die Krankenkassen können Modellvorhaben zu Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten, zur Krankenbehandlung sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft durchführen oder vereinbaren. Die Leistungen dürfen nicht zur Regelversorgung gehören.
Rz. 19
Modellvorhaben können durchgeführt werden, wenn tragfähiges Erkenntnismaterial vorliegt, welches erwarten lässt, dass entsprechende Leistungen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten geeignet sind (BT-Drs. 13/6087 S. 26). Leistungen sind somit ausgeschlossen, wenn deren Nutzen und Risiken noch nicht hinreichend beurteilt werden könne. Medizinische Forschung ist ebenfalls nicht im Rahmen von Modellvorhaben zulässig.
2.3 Abweichen von gesetzlichen Bestimmungen (Abs. 3)
2.3.1 Suspendierung (Satz 1)
Rz. 20
Modellvorhaben nach Abs. 1 dürfen während der Dauer des Vorhabens von den Vorschriften des Vierten (Recht der Beziehungen zu den Leistungserbringern) und des Zehnten Kapitels SGB V (Datenschutz), des Krankenhausfinanzierungsgesetzes, des Krankenhausentgeltgesetzes und den nach diesen Vorschriften getroffenen Regelungen abweichen. Von der Wahlfreiheit der Versicherten zwischen verschiedenen Diensten für häusliche Krankenpflege darf nicht abgewichen werden (BSG, Urteil v. 24.9.2002, B 3 A 1/02 R).
Ohne diese Suspendierung wären die Modellvorhaben nicht möglich, sodass die Vorschrift lediglich eine erforderliche Folgevorschrift von Abs. 2 ist. Allerdings gilt auch nach der Suspendierung der einschlägigen Vorschriften der Grundsatz der Beitragssatzstabilität entsprechend. Teure und unwirtschaftliche Verfahren dürfen nicht Gegenstand von Modellvorhaben sein.
2.3.2 Grundsatz der Beitragssatzstabilität (Satz 2)
Rz. 21
Der Grundsatz der Beitragssatzstabilität gilt als gewahrt, solange sich das Modellvorhaben in seiner Gesamtheit als kostenneutral erweist. Durch das Modellvorhaben entstandene Mehrkosten können durch den Nachweis, dass im Modellvorhaben vorgesehene Maßnahmen zu Einsparungen führen werden, einen entsprechenden Ausgleich erfahren. Die Modellvorhaben sollen kostenneutral sein. Eine Quersubventionierung zwischen verschiedenen Modellvorhaben ist nicht zulässig. Da in der Praxis durch Modellvorhaben verursachte Einspareffekte nicht immer quantifizierbar sind, hat die Vorschrift eine "intendierter Beruhigungsfunktion" (so Koch, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 2. Aufl. 2012, § 63 Rz. 16).
2.3.3 Beteiligung Versicherter an Spareffekten (Satz 3)
Rz. 22
Sollten die durch das Modellvorhaben aktivierten Wirtschaftlichkeitsreserven zu so hohen Einsparungen führen, dass diese die Mehrkosten des Projektes überschreiten, kann dieser zusätzliche finanzielle Vorteil an die am Modellvorhaben beteiligten Versicherten ganz oder zum Teil weitergegeben werden. Auf diese Weise sollen Versicherte in ihrem Interesse an einer wirtschaftlichen Versorgung bestärkt werden (BT-Drs. 13/6087 S. 26). Unter...