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Rabattverträge nach § 130a Abs. 8 sind zumindest dann zu den öffentlichen Lieferverträgen i. S. v. Art. 1 Abs. 2 Buchst. c VKR zu zählen, wenn der Rabattvertrag eine Bestimmung enthält, nach der die Krankenkasse verpflichtet ist, keine weiteren Rabattverträge mit anderen pharmazeutischen Unternehmen abzuschließen, die vergleichbare Arzneimittel anbieten (Zusicherung von Exklusivität). In einem solchen Fall führt der Rabattvertrag i. V. m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V tatsächlich zu einem Wettbewerbsvorteil, den der Auftraggeber dem Unternehmer einräumt, um einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen. Insoweit ist der Rabattvertrag als öffentlicher Auftrag in Form einer Rahmenvereinbarung gemäß § 4 EG Abs. 1 VOL/A (zuvor § 3a Nr. 4 Satz 1 VOL/A) zu werten. Das LSG Nordrhein-Westfalen (Beschluss v. 2.4.2009, L 21 KR 35/09 SFB) hat sich dieser Rechtsauffassung im Ergebnis angeschlossen. Es hat jedoch Bedenken geäußert und dazu ausgeführt: Ob Arzneimittelrabattverträge ausnahmslos als öffentliche Lieferaufträge i. S. d. vorgenannten Regelungen qualifiziert werden können, erscheint vor dem Hintergrund fraglich, dass nicht von einer typischen Beschaffungssituation ausgegangen werden kann, Krankenkassen keinen Einfluss auf das Verordnungsverhalten der Vertragsärzte haben und als weitere Entscheidungsebene Apotheken in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden. Angesichts des Umstandes, dass dem Rabattvertragspartner Exklusivität zugesichert wird, unterliegt die Annahme eines öffentlichen Auftrages in Form eines Rahmenvertrags jedoch im Ergebnis keinen durchgreifenden Bedenken. Zu berücksichtigen ist nämlich, dass in einem solchen Fall der Rabattvertrag i. V. m. der Ersetzungsverpflichtung des Apothekers nach § 129 Abs. 1 Satz 3 zu einem echten Wettbewerbsvorteil führt, den der Auftraggeber dem Rabattvertragspartner einräumt, um seinerseits einen möglichst hohen Rabatt zu erzielen.
Wenn in einem Rabattvertrag der Abschluss weiterer Rabattverträge ausdrücklich nicht ausgeschlossen wird und damit eine zugesicherte Exklusivität nicht besteht, kann am Vorliegen eines öffentlichen Auftrages gezweifelt werde. Jedoch ist im Ergebnis auch in einer solchen Fallkonstellation ein öffentlicher Auftrag zu bejahen. Denn die Gewährung von Rabatten in den Verträgen nach § 130a führt – in Form der durch die Unternehmer an die Krankenkassen gezahlten "Rückvergütung" – zu dem Bezug preisvergünstigter Arzneimittel. Die Rabattverträge schlagen eine "Brücke" zwischen den pharmazeutischen Unternehmern und den Krankenkassen als den Abnehmern der produzierten Arzneimittel. Das wirtschaftliche Ergebnis ist, dass sich die Krankenkassen nunmehr die von ihnen abgenommenen Arzneimittel zu einem günstigeren – nämlich rabattierten – Preis beschaffen können. Zugleich – und nur deshalb schließt der pharmazeutische Unternehmer den Rabattvertrag – ist für ihn der Rabattvertrag mit den hieran anknüpfenden, sich aus den gesetzlichen Regelungen (§ 129 Abs. 1 Satz 3) ergebenden Vorteilen verbunden. Aufgrund dieser Betrachtungsweise ist es ohne weiteres gerechtfertigt, den Abschluss von Rabattverträgen vergaberechtlich als die Lieferung preisvergünstigter Arzneimittel durch pharmazeutische Unternehmer an die Krankenkassen zu begreifen (LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 3.9.2009, L 21 KR 51/09 SFB). Dabei ist es grundsätzlich unerheblich, ob es Krankenkassen (rechtlich oder tatsächlich) möglich wäre, weitere Rabattverträge mit weiteren pharmazeutischen Unternehmern zu schließen. Entscheidend ist allein, dass die Zuschlagsempfänger den sich aus der Ersetzungspflicht des § 129 Abs. 1 Satz 3 ergebenden Wettbewerbsvorteil nutzen können. Die Rabattverträge sind auch im Falle des Abschlusses weiterer Verträge als öffentliche Aufträge zu qualifizieren. Denn auch dann wird sich an dem grundsätzlichen Bestehen eines Wettbewerbsvorteils nichts ändern. Etwas anderes hat jedoch dann zu gelten, wenn mit allen oder nahezu allen pharmazeutischen Unternehmern ein Rabattvertrag geschlossen wird, da dann der Wettbewerbsvorteil gänzlich erloschen ist.