Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 20
Die HzV stellt vom Wortlaut her den qualifizierten Hausarzt in den Mittelpunkt des Versorgungsgeschehens. Er soll den Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung im Rahmen seiner hausärztlichen Fachkompetenz ambulant versorgen, die ambulante Versorgung durch andere Fachärzte sicherstellen, den Versicherten durch die stationäre und rehabilitative Behandlung leiten und für ihn immer erster Ansprechpartner in allen Gesundheitsfragen sein.
Abs. 1 verpflichtet jede gesetzliche Krankenkasse, ihren Versicherten eine besondere hausärztliche Versorgung (hausarztzentrierte Versorgung – HzV) flächendeckend anzubieten (Klückmann, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 73b Rz. 7). Die Wörter "haben anzubieten" bedeuten, dass die Krankenkasse von sich aus ihre Versicherten über den Inhalt, die Rechte und Pflichten sowie die Vorteile informieren muss, die sich für sie aus der HzV ergeben. Dies korrespondiert im Übrigen mit der umfassenden Informationspflicht der Krankenkasse nach Abs. 6. In der Mitgliederzeitschrift, ggf. im Internet, mit persönlichen Anschreiben oder auf andere geeignete Weise hat deshalb die Krankenkasse ihre Versicherten z. B. darüber zu informieren,
- wer am Wahltarif über die HzV teilnehmen kann,
- welche Aufgaben der gewählte, besonders qualifizierte Hausarzt hat,
- welche Vorteile und Pflichten sich für den Versicherten aus der HzV ergeben,
- wie der Versicherte seine Teilnahme an der HzV erklären bzw. wie und bis wann er seine Teilnahmeerklärung widerrufen kann,
- welche Ärzte dem Versorgungsvertrag über die HzV beitreten können bzw. in Wohnortnähe des Versicherten bereits beigetreten sind und
- welche Vertragspartner mit welchen Inhalten einen Versorgungsvertrag über die HzV geschlossen haben.
- Erst diese Informationen versetzen die Versicherten in die Lage, sich sofort, später oder gar nicht für die HzV zu entscheiden bzw. ggf. einen qualifizierten Hausarzt zu wählen, der bei ihnen die HzV durchführt.
Rz. 21
Das Angebot selbst steht mithin für die gesetzliche Krankenkasse nicht zur Disposition, es muss erfüllt werden, egal ob eine Krankenkasse bundesweit viele oder wenige Versicherte betreut oder ob ihre Versicherten regional unterschiedlich verteilt sind. Damit hat der Gesetzgeber den Krankenkassen den Weg der HzV als neue ambulante ärztliche Versorgungsform neben der gesamtvertraglich geregelten vertragsärztlichen Regelversorgung (vgl. § 73) verpflichtend vorgegeben. Die originäre Zuständigkeit, das Angebot durch selektive Vereinbarung(en) mit besonders qualifizierten Vertragsärzten/medizinischen Versorgungszentren oder deren Gemeinschaften nach Abs. 4 zu realisieren, liegt bei der einzelnen Krankenkasse, nicht aber beim Landesverband der Krankenkassen oder beim Bevollmächtigten mit Abschlussbefugnis der Ersatzkassen (§ 212 Abs. 5 Satz 4). Die Verpflichtung der Krankenkasse zu Vertragsabschlüssen war bei der Einführung der neu gefassten Vorschrift mit einer verbindlichen Terminvorgabe verknüpft worden, um der HzV endlich zum Durchbruch zu verhelfen. Nach Abs. 4 Satz 1 hatten die Krankenkassen bis spätestens 30.9.2009 Versorgungsverträge mit solchen ärztlichen Gemeinschaften zu schließen, die mindestens die Hälfte der im KV-Bezirk zugelassenen Allgemeinmediziner vertreten. Für die bundesweit organisierten Krankenkassen bedeutete dies, dass sie in jedem KV-Bezirk mit den entsprechenden ärztlichen Gemeinschaften einen Versorgungsvertrag über die HzV schließen mussten, immer vorausgesetzt, die jeweilige Gemeinschaft wollte ihren Rechtsanspruch auf Abschluss des Versorgungsvertrages auch tatsächlich realisieren. Im Falle der Nichteinigung über einen Versorgungsvertrag konnte damals bzw. kann auch jetzt diese Gemeinschaft ein Schiedsverfahren nach Abs. 4a beantragen, was den Druck auf das Zustandekommen eines Versorgungsvertrages mit der im KV-Bezirk vorhandenen Gemeinschaft der Allgemeinmediziner zusätzlich erhöht.
Die selektiven Versorgungsverträge können die Krankenkassen grundsätzlich allein oder in Kooperation mit anderen Krankenkassen (Abs. 4 Satz 3) schließen, wobei es keine Rolle spielt, ob es sich bei der kooperationswilligen Krankenkasse um eine Krankenkasse derselben oder einer anderen Kassenart handelt.