Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 72
Die berechtigten Gemeinschaften der Allgemeinmediziner nach Abs. 4 Satz 2, zu denen die Hausärzteverbände e. V. gehören, haben die Möglichkeit, ein spezielles, von § 89 getrenntes Schiedsverfahren nach Abs. 4a zu beantragen, falls eine Einigung mit der Krankenkasse über den Vertrag für die HzV bzw. einzelne Vertragsbestandteile nicht zustande kommt. Von § 89 getrenntes Schiedsverfahren bedeutet, dass es sich bei dem Selektivvertrag über die HzV eben nicht um einen Vertrag über die vertragsärztliche Versorgung handelt, sodass das gemeinsame Schiedsamt für die vertragsärztliche Versorgung (Landesschiedsamt) nicht zuständig ist. Das spezielle Schiedsverfahren für die HzV wird von einer unabhängigen Schiedsperson durchgeführt, auf die sich die Vertragsparteien entweder verständigen oder die im Falle der Nichteinigung durch die für die Krankenkasse zuständige Aufsichtsbehörde bestimmt wird. Diese Festlegung durch die Aufsichtsbehörde hat nicht die Qualität eines Verwaltungsaktes (BSG, Urteil v. 25.3.2015, B 6 KA 9/14 R). Die unabhängige Schiedsperson legt dann anstelle der Parteien nach billigem Ermessen die Einzelheiten über Inhalt und Durchführung sowie Vergütung der HzV fest.
Rz. 73
Mit Wirkung zum 1.1.2012 ist im Satz 4 klargestellt, dass etwaige Klagen gegen die Einsetzung der Schiedsperson keine aufschiebende Wirkung haben (Satz 4), weil auch durch die Bestimmung der im Nichteinigungsfall tätig werdenden Schiedsperson die möglichst rasche Sicherstellung eines flächendeckenden Angebotes der HzV Priorität hat bzw. durch Klagen gegen die Benennung der Schiedsperson nicht hinausgezögert werden soll. Klagen gegen den festgelegten Vertragsinhalt richten sich nach Satz 5 gegen eine der beiden Vertragsparteien und eben nicht gegen die Schiedsperson, die lediglich als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig wird und vermutlich schon vom Arbeits- und Zeitaufwand her nicht in der Lage wäre, das Klageverfahren zu bestreiten.
Rz. 74
Klagen gegen den von der Schiedsperson festgelegten Vertragsinhalt (Satz 5) haben aufschiebende Wirkung (vgl. § 86a SGG), nachdem im Satz 5 die aufschiebende Wirkung nicht mehr enthalten ist. Die Bundesregierung sah jedoch bereits 2011 im Zusammenhang mit dem GKV-VStG keine Veranlassung, den Vorschlag des Bundesrates aufzugreifen und bei einer Klage gegen den Schiedsspruch eine aufschiebende Wirkung in Abs. 4 a festzuschreiben. Sie führte damals in ihrer Gegenäußerung (vgl. BT-Drs. 17/7274) aus, dass es sich bei dem Schiedsspruch der Schiedsperson nicht um einen Verwaltungsakt handelt, sondern dass die Schiedsperson als Vertragshelfer analog § 317 BGB tätig wird. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil v. 25.11.2010, B 3 KR 1/10 R) zur insoweit vergleichbaren Regelung in § 132a Abs. 2 werde der Vertragsinhalt durch die Schiedsperson rechtsgestaltend ergänzt. Die Schiedsperson ist nach der BSG-Rechtsprechung keine Behörde i. S. d. § 1 SGB X und kann deshalb grundsätzlich keinen Verwaltungsakt setzen (vgl. § 9 SGB X), es sei denn, dass sie im Ausnahmefall durch das Gesetz ausdrücklich dazu befugt worden ist. Eine gegen den Schiedsspruch gerichtete Ersetzungsklage als Sonderform der Leistungsklage habe deshalb nach Auffassung der Bundesregierung keine aufschiebende Wirkung, sodass es der Regelung einer aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen den Schiedsspruch nicht bedürfe. Das BSG (Urteil v. 25.3.2015, B 6 KA 9/14 R) hat inzwischen bestätigt, dass der Schiedsspruch, mit dem eine Schiedsperson den Inhalt eine HzV-Vertrages festsetzt, nicht als Verwaltungsakt ergeht. Schiedspersonen, die HzV-Verträge festsetzen, wenn eine Einigung zwischen einer Krankenkasse und der in Abs. 4 Satz 1 der Vorschrift bezeichneten Gemeinschaft von Allgemeinärzten nicht zustande kommt, werden nach der Urteilsbegründung – ebenso wie Schiedspersonen im Bereich der Versorgung mit häuslicher Krankenpflege nach § 132a – als öffentlich-rechtlicher Schlichter und Vertragshelfer entsprechend § 317 BGB und nicht als Behörde tätig. Die Schiedsperson hat also lediglich vertragsausfüllende und vertragsergänzende Funktion. Der Schiedsspruch ergeht deshalb auch nicht in der Form eines Verwaltungsaktes, sondern ersetzt die Einigung der Parteien. Im Ergebnis hat dies zur Folge, dass der durch die Festsetzung der Schiedsperson zustande gekommene Vertrag, der nicht in der Form eines Verwaltungsakts ergeht, vorbehaltlich seiner Nichtigkeit umzusetzen ist, solange dessen Rechtswidrigkeit nicht rechtskräftig festgestellt worden ist. Unter Bezugnahme auf die vorgenannte BT-Drs. 17/7274 stellte das BSG fest, dass bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens um die Rechtmäßigkeit des von der Schiedsperson festgesetzten Vertrages die Pflicht zur Umsetzung des Vertrages nur durch eine einstweilige Anordnung des Gerichts nach § 86b Abs. 2 SGG beseitigt werden kann.