Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 20
Wahl bedeutet, dass sich der Versicherte mindestens zwischen 2 Leistungserbringern entscheiden kann. Erst wenn diese Wahlmöglichkeit gegeben ist und weitere Ärzte oder Einrichtungen zur Verfügung stehen, wird die freie Arztwahl in Abs. 2 dadurch faktisch etwas eingeschränkt, dass der Versicherte die Mehrkosten tragen muss, wenn er ohne zwingenden Grund einen anderen als einen der nächsterreichbaren Vertragsärzte, ein medizinisches Versorgungszentrum oder eine andere Einrichtung in Anspruch nimmt. Mehrkosten in diesem Sinne sind bei der Sprechstundenbehandlung die Fahrtkosten des Versicherten, bei der Besuchsbehandlung die Fahrtkosten (Wegegebühren) des Arztes. Die Mehrkosten im Rahmen einer Besuchsbehandlung, wenn sie erheblich sind, hat der Arzt unmittelbar mit dem Versicherten privat abzurechnen.
Rz. 21
Hat der Versicherte seine Arztwahl getroffen, bleibt er nach Abs. 3 Satz 1 grundsätzlich für ein Kalendervierteljahr (Behandlungsquartal) daran gebunden. Die Quartalsbindung soll einerseits die Kosten begrenzen, indem z. B. Doppeluntersuchungen durch Ärzte derselben Fachrichtung vermieden werden, sie dient andererseits der Effizienz der Behandlung. Ein Arztwechsel innerhalb des Quartals ist nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes möglich. Ein wichtiger Grund liegt z. B. vor, wenn der Versicherte einen Wohnortwechsel vorgenommen hat oder wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient zerstört ist. Die Quartalsbindung hat grundsätzlich nicht verhindern können, dass unkoordinierte mehrfache Inanspruchnahmen von Vertragsärzten vorkommen und der Informationsfluss zwischen Vertragsärzten, die denselben Patienten zeitgleich oder nacheinander behandeln, im Sinne einer wirtschaftlichen Leistungserbringung immer noch nicht klappt. Eine wesentliche Ursache dafür ist die Krankenversichertenkarte (Gesundheitskarte), die technisch nicht auf eine einmalige Inanspruchnahme eines Vertragsarztes pro Behandlungsquartal begrenzt ist. Deshalb sind durch Abs. 3a die Kassenärztliche Bundesvereinigung und der GKV-Spitzenverband als Partner des Bundesmantelvertrages verpflichtet worden, die unkoordinierte mehrfache Inanspruchnahme vertraglich zu unterbinden und den Informationsaustausch zwischen den vor- und nachbehandelnden Vertragsärzten zu verbessern.
Rz. 22
Während die Behandlung des Versicherten gegenüber der KV bzw. den Krankenkassen nach den Regeln der vertragsärztlichen Versorgung abzurechnen und zu vergüten ist, gelten nach Abs. 4 für das Rechtsverhältnis Vertragsarzt/Versicherter die Sorgfaltspflichten nach den Vorschriften des bürgerlichen Vertragsrechts (§§ 630a bis 630h BGB). Dazu rechnen neben der Pflicht zur sorgfältigen Behandlung nach den Regeln der ärztlichen/zahnärztlichen Kunst auch Nebenpflichten, wie Verschwiegenheitspflicht, Aufklärungspflicht, Dokumentationspflicht. Schadensersatzansprüche aus fehlerhafter Behandlung oder Aufklärung muss der Patient deshalb unmittelbar gegenüber dem Arzt geltend machen, und wenn dies keinen Erfolg hat, muss er sie notfalls vor den Zivilgerichten einklagen. Zur Unterstützung der Patienten haben die meisten Ärztekammern Gutachten-Kommissionen eingerichtet, die für den Versicherten kostenfrei das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers nach objektiven Maßstäben der Medizin untersuchen. Auch einige Krankenkassen sind inzwischen dazu übergegangen, ihre Versicherten bei vermeintlichen Behandlungsfehlern und der Durchsetzung der Ansprüche zu unterstützen (§ 66).
Rz. 23
Die Haftung des Vertragsarztes ist durch die zivilgerichtliche Rechtsprechung in den letzten Jahren zugunsten der Patienten verbessert worden. Eine fehlende oder unzureichende Aufklärung über die Behandlung, deren Kosten, Risiken und Folgen geht regelmäßig zulasten des Arztes, der auch die korrekte Aufklärung beweisen muss. Eine Therapie, die ein Vertragsarzt auf Wunsch seines Patienten anwendet, von der er aber als Fachmann weiß, dass sie kontraindiziert ist, begründet einen immateriellen und materiellen Schadenersatzanspruch gegen den Arzt. Den Patienten trifft dabei keine Mitschuld (OLG Düsseldorf, Urteil v. 16.11.2000, 8 U 101/99).
Rz. 24
In Abs. 3 ist geregelt, dass der Versicherte einen Hausarzt wählt. Die Wahl erfolgt unter den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragsärzten, also unter den Vertragsärzten, die nach § 73 Abs. 1a zu den Hausärzten zählen. Eine Wahl des Hausarztes setzt voraus, dass der Versicherte erkennen kann, welcher Vertragsarzt an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt. Deshalb ist ab 1.1.2000 in Abs. 3 für den Vertragsarzt verpflichtend bestimmt, dass er seine Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung auf dem nach der ärztlichen Berufsordnung vorgeschriebenen Praxisschild bekannt machen muss. So hat z. B. ein Internist ohne Schwerpunktbezeichnung auf dem Praxisschild die Hausarzttätigkeit anzugeben, wenn er sich für die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung entschieden hat. Auch die Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung (§ 73b), für die sic...