Prof. Dr. Volker Wahrendorf
2.1 Organe der Kassenärztlichen bzw. Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Abs. 1)
Rz. 7
Bei jeder Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung (KV/KZV) und der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung (KBV/KZBV) sind durch Wahl 2 Organe zu bilden, und zwar die ehrenamtlich tätige Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan und der hauptamtlich tätige Vorstand. Die Vertreterversammlung ist das oberste beschließende Organ der jeweiligen Körperschaft. Sie hat als Legislativ- und Kontrollorgan der Körperschaft u. a. die Satzung und sonstiges autonomes Recht zu beschließen sowie den Vorstand zu überwachen. In Abgrenzung zu den Befugnissen der Vertreterversammlung sind dem hauptamtlichen Vorstand die Verwaltung und die Außenvertretung der Körperschaft als originäre Kompetenz zugewiesen. Beide Organe erledigen die vielfachen Aufgaben der ärztlichen/zahnärztlichen Körperschaft auf Landes- bzw. Bundesebene, und zwar in ihrem jeweils durch das Gesetz zugewiesenen Bereich. Ein Über- oder Unterordnungsverhältnis besteht zwischen diesen beiden Organen nicht; jedes Organ handelt in dem ihm übertragenen Kompetenzbereich (so auch BSG, Urteil v. 30.10.2013, B 6 KA 48/12 R).
Rz. 8
Die eigentliche Kompetenzabgrenzung erfolgt in den Abs. 3 und 5 (vgl. Kaltenborn, GesR 2008 S. 337). Die Kompetenzen des Vorstandes werden in § 79 Abs. 5 näher präzisiert. Neben klaren Abgrenzungsregelungen stellen sich Fragen, die durch unbestimmte Rechtsbegriffe entstehen, etwa ob die Überwachung des Vorstandes durch die Vertreterversammlung erfolgt oder dass der Entscheidung des Vorstandes Fragen grundsätzlicher Bedeutung entzogen sind (vgl. Kaltenborn, a. a. O., S. 338).
2.2 Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan
Rz. 9
Die Vertreterversammlung ist nach Abs. 1 das Selbstverwaltungsorgan einer KV/KZV bzw. der KBV/KZBV und hat Rechtsetzungsbefugnis (Satzung und sonstiges autonomes Recht). Ihr wird damit eine starke Rechtsstellung ganz im Sinn einer gelebten Selbstverwaltung zugewiesen. Während Satzungen unter dem Genehmigungsvorbehalt des § 81 Abs. 1 Satz 2 stehen, bedarf das sonstige autonome Recht keiner Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde (Richter, in: BeckOK SozR, SGB V, § 79 Rz. 3). Beispiele sind: der Honorarverteilungsmaßstab oder die Notfall- und Bereitschaftsdienstordnung (zur Rechtswegfrage bei der Finanzierung des ärztlichen Notdienstes vgl. BVerwG, Beschluss v. 6.7.2022, 3 B 31/21). Es wird zwischen dem Recht im formellen Sinn und dem sonstigen autonomen Recht unterschieden (vgl. Rademacker, in: BeckOGK, SGB V, § 79 Rz. 7). Satzungsrecht im materiellen Sinn sind Beschlüsse der Vertreterversammlung, die verbindlich gegenüber allen Ärzten sind. Nicht dazu zählen interne Dienstanweisungen oder Einzelfallentscheidungen (vgl. Hamdorf, in Hauck/Noftz, SGB V, § 79 Rz. 22). Mit der Formulierung "Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan" bezieht sich der Wortteil "Selbstverwaltung" ausschließlich auf die Vertreterversammlung, während daneben als weiteres Organ der hauptamtliche Vorstand besteht, der aber kein Selbstverwaltungsorgan ist. Während bis zum 10.5.2019 die ehrenamtliche Tätigkeit der Vertreterversammlung durch entsprechende Satzungsregelungen bei allen kassen(zahn)ärztlichen Körperschaften auf Landes- und Bundesebene praktiziert worden war, ist durch den Verweis in Abs. 1 Satz 2 auf die entsprechende Geltung des § 40 SGB IV gesetzlich klargestellt, dass die Mitglieder der Vertreterversammlungen der KV/KZV und der KBV/KZBV ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben. § 40 Abs. 1 SGB IV gibt vor, dass die Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane ihre Tätigkeit ehrenamtlich ausüben. Da in der rechtlichen Rangfolge das Gesetz über jeder Satzungsregelung steht, sind die auf die ehrenamtliche Tätigkeit der Vertreterversammlung bezogenen Satzungsbestimmungen mit Wirkung zum 11.5.2019 entbehrlich geworden bzw. haben nur noch deklaratorische Bedeutung.
Rz. 10
Das Selbstverwaltungsprinzip bedeutet, dass die Vertreterversammlung im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufgabe im weitesten Sinne die Organisation der Vereinigung als Körperschaft des öffentlichen Rechts selbst bestimmt. Inhalt und Umfang des Selbstverwaltungsprinzips werden durch das Ausmaß der gesetzlich bestimmten Einflussmaßnahme durch Aufsichts- und Mitwirkungsrecht des Staates vorgegeben. Während die Vertreterversammlung als Selbstverwaltungsorgan das Organisationsprinzip bestimmt, verwaltet der Vorstand nach Abs. 5 die Körperschaft und vertritt sie gerichtlich und außergerichtlich. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Organen ist z. B. auch, dass die Mitglieder des Selbstverwaltungsorgans Vertreterversammlung ehrenamtlich tätig sind, während die hauptamtlichen Vorstandsmitglieder in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis zur Körperschaft stehen, dessen Inhalt im Einzelnen durch Dienstverträge geregelt ist.
Rz. 11
Die ehrenamtlichen Mitglieder der Vertreterversammlung einer kassen(zahn)ärztlichen Körperschaft erhalten für ihre Tätigkeit eine Entschädigung nach Maßgabe der Entschädigungsordnung, die Bestandteil der Satzung der jeweiligen Körperschaft ist.
Rz. 12
Die Vertreterversammlung ist z. B. n...