Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 3
Um die Funktionsfähigkeit der KV bzw. KZV in den Ausnahmefällen sicherzustellen kann die Landesaufsichtsbehörde als äußerste aufsichtsrechtliche Maßnahme entweder selbst die Aufgaben der Vertreterversammlung oder des Vorstandes der KV/KZV übernehmen oder einen Beauftragten bestellen, welcher anstelle der Vertreterversammlung und/oder des Vorstandes die Aufgaben der Körperschaft auf deren Kosten wahrnimmt. Die Übernahme der Aufgaben eines Organs kann sowohl ganz als auch teilweise erfolgen. Die Bestellung erfolgt soweit und solange die Voraussetzungen für eine Bestellung vorliegen (Abs. 1a Satz 1). Die Aufsichtsbehörde oder der Beauftragte kann auch zugleich für die Vertreterversammlung und den Vorstand tätig werden, insbesondere wenn schwerwiegende Rechtsverletzungen beider Organe zu beseitigen sind. Daneben bestehen die allgemeinen Aufsichtsmittel nach § 79. Der Unterschied zwischen den Aufsichtsmitteln und der Bestellung eines Beauftragten ist, dass dieser die Aufgaben der Organe auch nach außen wahrnimmt (vgl. Rademacker, in BeckOGK, SGB V, § 79a Rz. 2).
Die Bestellung eines "Staats"-Beauftragten (Staatskommissars) durch die Aufsichtsbehörde kommt für eine KV/KZV nur als ultima ratio in Betracht. Die Aufgabenübernahme durch die Aufsichtsbehörde bzw. die Tätigkeit des Beauftragten endet, wenn der gesetzwidrige Zustand beseitigt und der ordnungsgemäße Gang der Verwaltungsgeschäfte der Körperschaft sichergestellt ist. Ungeklärt ist, ob es rechtstechnisch dazu wiederum eines Verwaltungsaktes bedarf. Ein solcher ist nicht erforderlich, wenn die Bestellung von vornherein zeitlich befristet war oder sich in sonstiger Weise erledigt hat. Aus Gründen der Rechtssicherheit ist zu empfehlen, dass die Aufsichtsbehörde eine Feststellung zur Beendigung der Beauftragung erlässt. Die Bestellung selbst ist eine Ermessensentscheidung (Abs. 1a Satz 1: "kann"; vgl. auch Rademacker, in: BeckOGK, SGB V, § 79a Rz. 5). Inhaltlich muss sich die Ermessensentscheidung am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren und nach außen begründet werden.
Entsprechendes gilt vor dem Hintergrund der besonderen Treuhänderfunktion der Körperschaften, insbesondere für den Fall, dass das Vermögen der Körperschaft gefährdende Entscheidungen getroffen bzw. beabsichtigt werden.
Rz. 4
Das BSG hat mit Urteil v. 27.6.2001 (B 6 KA 7/00 R) bestätigt, dass die Ablösung eines KZV-Vorstandes und der KZV-Vertreterversammlung durch einen Beauftragten der Aufsichtsbehörde z. B. dann gerechtfertigt ist, wenn die Vertreterversammlung der KZV wegen eines Streits mit den Krankenkassen über die Höhe der Gesamtvergütung den vertragslosen Zustand erklärt und den Vertragszahnärzten empfiehlt, den GKV-Patienten Privatrechnungen auszustellen und sie darauf zu verweisen, bei ihrer Krankenkasse um Erstattung nachzusuchen. Dieser versuchte Ausstieg aus dem Sachleistungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung stellt nach Auffassung des BSG einen so groben Verstoß gegen grundlegende gesetzliche Vorgaben dar, dass das aufsichtsführende Ministerium den Beauftragten an die Stelle des Vorstandes und der Vertreterversammlung der KZV setzen durfte. Dieser Verstoß wäre, so das BSG, von der Wirkung her gleichbedeutend mit einem kollektiven Streik der Vertragszahnärzte, der ihnen aber unter keinen Umständen erlaubt ist. Ein vertragsloser Zustand bei der Gesamtvergütung ist ohnehin nach § 89 ausgeschlossen, weil der bisherige Vergütungsvertrag grundsätzlich so lange weitergilt, bis ein neuer Vertrag vereinbart oder schiedsamtlich festgesetzt worden ist.
Mit Wirkung zum 1.3.2017 ist der Abs. 1 auf die Kassenärztlichen Vereinigungen, d. h. auf die auf Landesebene angesiedelten KVen und KZVen, rechtstechnisch beschränkt worden. Für die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, d. h. für die KBV und die KZBV, ergeben sich die gleichlautenden Rechtsinhalte nunmehr aus den Abs. 1a und 1b.