2.1.1 Antragserfordernis
Rz. 4
Die Befreiung von einer Krankenversicherungspflicht setzt einen Antrag voraus. Damit wird sichergestellt, dass die Ausnahme von der Krankenversicherungspflicht nur mit Willen und in eigener Verantwortlichkeit des Betroffenen erfolgt. Darin unterscheidet sich die Befreiung auf Antrag von der kraft Gesetzes bestehenden Versicherungsfreiheit. Eine Form für diesen Antrag ist nicht vorgeschrieben. In der Praxis haben sich, auch aus Beweisgründen, schriftliche Anträge, die auch die Art der eintretenden Versicherungspflicht bezeichnen, durchgesetzt.
Rz. 5
Dieser Antrag ist materiell-rechtliche Voraussetzung für einen Befreiungsbescheid. Er setzt daher Geschäftsfähigkeit voraus, wobei § 36 SGB I nicht anwendbar ist. Es handelt sich um ein einseitiges Gestaltungsrecht der Versicherungspflichtigen. Der Antrag kann grundsätzlich nicht mit Bedingungen verbunden werden. Bei Unklarheit über Krankenversicherungspflicht kann er für den Fall des Bestehens von Versicherungspflicht (Rechtsbedingung) gestellt werden.
Rz. 6
Der Befreiungsantrag wird als einseitige Erklärung mit dem Zugang bei der Krankenkasse wirksam. Eine Rücknahme des Antrags scheidet ab dem Zeitpunkt aus, an dem der Befreiungsbescheid erlassen ist. Der Antrag kann nicht mit der Begründung eingetretener nachteiliger Folgen angefochten werden, weil dieses ein Irrtum über Rechtsfolgen wäre, die nicht zur Anfechtung berechtigen. Der Antrag auf Befreiung setzt die vorherige eigenverantwortliche Entscheidung des Antragstellers voraus und löst aufseiten der Krankenkasse keine allgemeinen Beratungspflichten über Risiken und Folgen dieser Entscheidung aus, aus wettbewerbsrechtlichen Gründen auch nicht im Sinne einer Darstellung von vermeintlichen Nachteilen einer privaten Krankenversicherung. Die Krankenkasse hat die Befreiung als gebundene Entscheidung auszusprechen. Der Befreiungsbescheid stellt einen begünstigenden Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar.
2.1.2 Eintreten von Krankenversicherungspflicht
Rz. 7
Für alle Befreiungstatbestände ist Voraussetzung, dass durch bestimmte Tatbestände des § 5 Abs. 1 Krankenversicherungspflicht eintritt. Bis zur Klarstellung des Gesetzgebers in Abs. 1 Satz 2 ging die herrschende Auffassung in der Literatur (vgl. Baier, in: Krauskopf, SozKV, SGB V, § 8 Rz. 3; Just, in: Becker/Kingreen, SGB V, 1. Aufl., § 8 Rz. 2) im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (vgl. BSG, Urteil v. 27.4.2016, B 12 KR 24/14 R) davon aus, dass die Befreiungstatbestände voraussetzen, dass eine Krankenversicherungspflicht vorher gar nicht bestanden habe, sodass ein Wechsel im Versicherungsgrund an sich kein Befreiungsrecht auslösen kann. Mit Abs. 1 Satz 2 hat der Gesetzgeber jedoch eindeutig klargestellt, dass das Recht auf Befreiung gerade nicht voraussetzt, dass der Antragsteller erstmals versicherungspflichtig wird, sodass auch Wechsel im Versicherungsgrund ein Befreiungsrecht auslösen. Im Übrigen ist es grundsätzlich unerheblich, ob die zuvor fehlende Krankenversicherungspflicht auf Krankenversicherungsfreiheit oder dem Fehlen eines Tatbestandes nach § 5 beruhte.
Rz. 8
Die Vorschrift stellt auch nicht, anders als der Wortlaut der Befreiungsvorschriften der §§ 173a bis 173d RVO, darauf ab, dass Krankenversicherungspflicht als Beschäftigter, Rentner, Student etc. eintritt, also sich nur der Grund oder die Rangfolge der Versicherungspflicht änderte. Ebenso wenig ist gesetzlich ausdrücklich vorgesehen, dass die Befreiung nur für die jeweilige Versicherungspflicht ausgesprochen wird oder werden kann.
Rz. 9
In der Praxis wird die Vorschrift jedoch so ausgelegt und angewandt, dass auch bei zuvor bestehender Krankenversicherungspflicht die Befreiung von der jeweils genannten Krankenversicherungspflicht (z. B. als Student oder Rentner) erfolgen kann, auch nur für den jeweiligen Tatbestand gelten soll und nur insoweit unwiderruflich ist. Dies führt zu Zweifelsfragen bei der Reichweite der Befreiung und bei der Anwendung des § 6 Abs. 3, der bei Befreiungen keine Unterscheidungen nach dem Versicherungsgrund enthält (vgl. Rz. 65 und Komm. zu § 6). Daher sollten Person, die bisher von der Versicherungspflicht befreit waren, bei Änderungen des Versicherungspflichttatbestandes, aber auch vorsorglich bei Änderungen innerhalb eines Versicherungspflichttatbestandes (etwa ein Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses), hiervon die Krankenkasse zeitnah unterrichten und vorsorglich einen (erneuten) Befreiungsantrag stellen (vgl. Rz. 13b und 13c).
Rz. 10
Einer Befreiung bedarf es nicht, wenn aus den Gründen des § 6 bereits Versicherungsfreiheit besteht. Die Befreiungsrechte sind insoweit nachrangig gegenüber einer bereits kraft Gesetzes eingetretenen Versicherungsfreiheit. Ebenso kann keine Befreiung ausgesprochen werden, wenn wegen hauptberuflich selbständiger Tätigkeit (§ 5 Abs. 5) Krankenversicherungspflicht ausgeschlossen ist oder wegen einer noch wirksamen anderweitigen Befreiung Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 3 besteht.