Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 8
Im Gesetz aufgeführte Wahlgrundsätze sind die unmittelbare und die geheime Wahl. Mit dem Erfordernis der geheimen Wahl ist eine offene Abstimmung über Kandidaten ausgeschlossen (Rademacker, in: BeckOK, SGB V, § 80 Rz. 3). Die Wahl wird in Form von Listen oder Einzelvorschlägen vollzogen. Die Grundsätze von Allgemeinheit, Freiheit und Wahlrechtsgleichheit sind zwar nicht ausdrücklich genannt, gelten aber wegen Art. 3 Abs. 1 GG i. V. m. den Wahlrechtsgrundsätzen des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG über den Anwendungsbereich parlamentarischer Wahlen hinaus auch für diese Wahlen (so BSG, Urteil v. 28.1.1998, B 6 KA 98/96 R). Dazu gehört z. B., dass kein Wahlberechtigter bei der Ausübung des aktiven oder passiven Wahlrechts behindert werden darf bzw. niemand die Wahl zur Vertreterversammlung behindern oder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beeinflussen darf. Bei der Übertragung der Wahlgrundsätze des Art. 38 GG ist allerdings auch zu differenzieren. Die zur Repräsentanz von Fraktionen in Bundestagsausschüssen entwickelten Maßstäbe können auf die Wahlen zu Gremien der KV nicht unmittelbar übertragen werden (BSG, Urteil v. 15.5.2019, B 6 KA 57/17 R). Im Bereich der Selbstverwaltung sind an die Normketten geringere Anforderungen zu stellen als im Bereich der parlamentarischen Repräsentation. Eine Wahl wird nicht ungültig, auch wenn Repräsentanten einer bestimmten Liste (Spiegelbildlichkeit) nicht in den Beirat gewählt worden sind. Die Rechtsprechung lässt zu, dass aufgrund der Satzung bei der Wahl in einen beratenden Ausschuss eine Gruppenbildung nicht vorgesehen ist. Nach den Gleichstellungsgesetzen der Länder sollen Gremien, wie z. B. hier die Vertreterversammlung, geschlechtsparitätisch besetzt werden, sodass schon bei der Kandidatenaufstellung Frauen und Männer nach Möglichkeit paritätisch zu berücksichtigen sind. "Unmittelbar" schließt aus, dass anstelle des Mitglieds gewählte oder nominierte Mittelsmänner oder Bezirksvertreter das Wahlrecht ausüben. Jedes Mitglied wählt selbst. Eine geheime Wahl lässt eine Wahl durch Handzeichen in einer Mitgliederversammlung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht zu, ebenso wenig jede andere Form einer öffentlichen Abstimmung. Bei den KVen erfolgt die geheime Wahl zu den Vertreterversammlungen schriftlich per Briefwahl. Jeder Wahlberechtigte erhält rechtzeitig vor Ende der Wahlfrist die Wahlunterlagen zugesandt. Der Wahlberechtigte hat nur eine Stimme, die er zur Wahl der ärztlichen Vertreter einer der Listen geben kann, und zwar gleichgültig, ob es eine Hausarzt-, Facharzt- oder eine Liste von ermächtigten oder angestellten Ärzten ist. Ungültig sind z. B. Stimmen, die
- von einem Nichtwahlberechtigten abgegeben wurden,
- dem Wahlausschuss verspätet zugegangen sind,
- außer den vorgeschriebenen Kreuzen irgendwelche Zusätze, Vermerke, Vorbehalte, Anlagen oder besondere Merkmale außer dem Wahlkreuz enthalten,
- auf mehr Bewerber bezogen sind, als gewählt werden dürfen,
- nicht auf dem übersandten Stimmzettel abgegeben worden sind,
- zerrissen oder stark beschädigt sind,
- den Willen des Wählers nicht eindeutig erkennen lassen.
Rz. 9
Für die Wahl zur Vertreterversammlung gibt es nur einen Wahlkreis, der den Bezirk der KV umfasst. Das schließt z. B. bei großen KVen einen früher üblichen regionalen Proporz bei der Verteilung der Sitze der Vertreterversammlung aus. Wegen der in § 79 Abs. 2 vorgegebenen Höchstzahlen der Mitglieder der Vertreterversammlungen gibt es jetzt den fachgruppenspezifischen Proporz, der die Sitze nach Hausärzten, Fachärzten, ermächtigte und angestellte Ärzte aufteilt sowie nach Abs. 1 Satz 3 1/10 der Sitze für Psychotherapeuten reserviert. Bei der Aufteilung werden jeweils die Zahl der Gruppe der Hausärzte, der Gruppe der Fachärzte sowie der Gruppe der ermächtigten und angestellten Ärzte durch die Summe aller Ärzte geteilt und jeweils mit der Zahl der Sitze multipliziert. So entfielen z. B. in Nordrhein bei der 50 Sitze umfassenden Vertreterversammlung 18 Sitze auf Hausärzte, 21 Sitze auf Fachärzte, und 6 Sitze auf angestellte Ärzte/ermächtigte Krankenhausärzte sowie 5 Sitze auf Psychotherapeuten.
Rz. 10
Bei den KZVen gibt es dagegen den regionalen Proporz, so dass die Wahl getrennt in Wahlkreisen erfolgt, Als Wahlkreise sind z. B. in der Wahlordnung der KZV Westfalen-Lippe die westfälischen Regierungsbezirke bestimmt worden.
Rz. 11
Neben der Vertreterversammlung existiert in Nordrhein der Hauptausschuss. Er hat gegenüber dem Vorstand eine Art Aufsichtsratsfunktion. Der Hauptausschuss ist zudem zuständig für den Entwurf von Satzungsänderungen und berät den Vorstand in Fragen der Gesamtverträge, einschließlich der Honorarverteilung.
Rz. 12
Die Wahl zur Vertreterversammlung einer KV oder KZV erfolgt nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts aufgrund von Listen- und Einzelwahlvorschlägen (vgl. Abs. 1 Satz 2). Die Vorgabe "Grundsätze des Verhältniswahlrechts" entspricht der Wahl der Vertreter der Versicherten und der Arbeitgeber in den Selbstverwaltungskörper...