Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 18
Die Regelung steht in Beziehung zu §§ 82 und 83. Nach § 82 vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen (KBV) und der Spitzenverband Bund der Krankenkassen den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge. Gemäß § 83 schließen die KBV mit den in ihrem Bezirk zuständigen Landesverbänden der Krankenkassen und den Ersatzkassen Gesamtverträge über die vertragsärztliche Versorgung der Mitglieder mit Wohnort in ihrem Bezirk, einschließlich der mitversicherten Familienangehörigen, ab. In § 87 setzt sich die weitere Konkretisierung der Bundesmantelverträge durch die Pflicht zur Vereinbarung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes fort. Die offizielle Überschrift täuscht darüber hinweg, dass die Inhalte des Bundesmantelvertrages in Abs. 1 nur marginal angesprochen werden und sich dort mit Vorgaben zur Vereinbarung von Vordrucken, Arzneimittelverordnungsblättern und dem elektronischen Kommunikationsverfahren befinden (Hess, in BeckOGK SGB V, § 87 Rz. 1). Den Schwerpunkt in den Abs. 2 bis 5 bilden die ärztlichen und zahnärztlichen Vergütungsverfahren. Daneben werden inhaltliche und verfahrensrechtliche Vorgaben für die Bundesmantelverträge gemacht sowie für die Beschlussfassung des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM) und des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für zahnärztliche Leistungen (BEMA) festgelegt. Die Vereinbarung eines einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen erfolgt durch die Einbeziehung des Bewertungsausschusses als Bestandteil der Bundesmantelverträge.
1.1 Funktion des Bewertungsmaßstabs
Rz. 19
Mit dem GKV-WSG hat der Gesetzgeber einen organisatorischen Schwenk vollzogen, indem alle zentralen Vorgaben zum Vergütungssystem für ärztliche bzw. zahnärztliche Leistungen auf Bundesebene durch die Bewertungsausschüsse getroffen werden und erst dann von der KBV und dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen vereinbart werden können. In der Überschrift sind die Sachverhalte Bundesmantelvertrag, einheitlicher Bewertungsmaßstab und bundeseinheitliche Orientierungswerte aufgeführt, die darauf hindeuten, dass die ausführenden Bestimmungen für die ambulante vertrags(zahn)ärztliche Versorgung auf der Bundesebene getroffen werden. Die Partner des Gesamtvertrages auf der KV-Ebene bzw. KZV-Ebene haben diese Vorgaben zwingend umzusetzen. Nicht deutlich wird aber, dass es sich um 2 Bundesmantelverträge und 2 einheitliche Bewertungsmaßstäbe handelt, jeweils getrennt für die vertragsärztliche und für die vertragszahnärztliche Versorgung. In der vertragsärztlichen Versorgung heißt der Bewertungsmaßstab EBM, in der vertragszahnärztlichen Versorgung BEMA. Die Bestimmungen der Vorschrift beziehen sich überwiegend auf den EBM, der in der gesetzlichen Krankenversicherung eine wesentlich stärkere finanzielle Bedeutung hat als der BEMA und wegen der weitaus größeren Problemstellungen in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung mit unterschiedlichen Arztgruppen, ärztlichen und psychologischen Psychotherapeuten und medizinischen Versorgungszentren differenzierte, angemessene Lösungen erfordert.
Rz. 20
Der Bewertungsmaßstab ist Voraussetzung für eine leistungsgerechte Vergütung des Vertrags(zahn)arztes. Damit ist der Bewertungsmaßstab auch ein unverzichtbares Steuerungsinstrument zur zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemeinen Standes einer ärztlichen Versorgung (Abs. 2 Satz 2; vgl. auch Engelhard, in: Hauck/Noftz, SGB V, § 87 Rz. 36). Der Bewertungsmaßstab ist zugleich eine verlässliche Kalkulationsgrundlage für den jeweiligen Arzt einer Arztgruppe.
Rz. 21
Dagegen ist in der Überschrift der Plural "Orientierungswerte" mit Wirkung zum 1.1.2012 überholt, weil für die Vergütung der ärztlichen Leistungen nach Abs. 2e nur noch ein Orientierungswert in Euro festgesetzt wird. Die Vorschrift enthält die gesetzlichen Rahmenvorgaben für die Euro-Gebührenordnung. Die vom Bewertungsausschuss auszufüllenden Rahmenvorgaben sind in der Vorschrift aufgeteilt nach der bisher schon praktizierten Festlegung der Bewertungsrelationen für die vertragsärztlichen Leistungen (Abs. 2a bis 2d) und die mit Abs. 2e bis 2h vorgegebene Festlegung bzw. Anpassung des Orientierungswertes und der Bestimmung von Indikatoren für regionale Spezialitäten bei der Kosten- und Versorgungsstruktur. Die übrigen Absätze beziehen sich schwerpunktmäßig auf den Bewertungsausschuss und den erweiterten Bewertungsausschuss sowie auf die Prüf- und Überwachungsmöglichkeiten des BMG. Auf der Ebene der Gesamtvertragspartner wird die Vorschrift ergänzt durch § 87a, welche die Überschrift "Regionale Euro-Gebührenordnung, Morbiditätsbedingte Gesamtvergütung, Behandlungsbedarf der Versicherten" trägt.
Rz. 22
Für die Vertragsbeziehungen zwischen Ärzten/Zahnärzten und Krankenkassen regelt der Bundesmantelvertrag-Ärzte bzw. der Bundesmantelvertrag-Zahnärzte die Grundnormen, die erst die in § 70 vorgeschriebene gleichmäßige vertrags(zahn)ärztliche Versorgung der Versicherten im Geltungsbereich de...