Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 176
Falls wider Erwarten kein übereinstimmender Beschluss aller Mitglieder des Bewertungsausschusses zustande kommt, greift die Konfliktlösung über den erweiterten Bewertungsausschuss nach Abs. 4 und 5. Obwohl der jeweilige Bewertungsmaßstab Bestandteil des schiedsamtsfähigen BMV-Ä oder BMV-Z ist, setzt der erweiterte Bewertungsausschuss für die ärztlichen bzw. zahnärztlichen Leistungen anstelle des jeweiligen Bundesschiedsamtes diesen offengebliebenen Teil der Vereinbarung fest. Der erweiterte Bewertungsschuss hat also die Funktion eines Schiedsgremiums.
Den erweiterten Bewertungsausschuss gibt es sowohl für die ärztlichen Leistungen der vertragsärztlichen Versorgung als auch für die vertragszahnärztlichen Leistungen der vertragszahnärztlichen Versorgung. Im Konfliktfall wird der jeweilige Bewertungsausschuss auf Verlangen von mindestens 2 der 6 Mitglieder um einen unparteiischen Vorsitzenden und 2 weitere unparteiische Mitglieder erweitert. Die schiedsamtliche Regelung des § 89 Abs. 6, den Vorsitzenden einvernehmlich zu bestellen, gilt entsprechend auch für die Vorsitzenden der Bewertungsausschüsse. Die 2 weiteren unparteiischen Mitglieder werden dagegen benannt, und zwar jeweils ein Mitglied von der KBV/KZBV und ein Mitglied vom GKV-Spitzenverband. Besondere Voraussetzungen sind an die Person des Vorsitzenden und des unparteiischen Mitgliedes nicht geknüpft. In der Praxis wird es im Wesentlichen darauf ankommen, dass es sich um lebenserfahrene, sich neutral verhaltende Persönlichkeiten handelt, die das Vertrauen beider Seiten genießen. Sie tragen bei ihrer Entscheidung eine hohe Verantwortung bezogen auf die vertrags(zahn-)ärztliche Versorgung, der sie sich immer bewusst sein sollten. Die Hinzuziehung von 3 Unparteiischen, der erweiterte Bewertungsausschuss besteht dann aus 9 Vertretern, ermöglicht eine Entscheidung, die durch die Mehrheit der Vertreter des erweiterten Bewertungsausschusses festgesetzt wird. Die einvernehmliche Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden und die jeweilige Benennung der weiteren unparteiischen Mitglieder lassen erwarten, dass es in der Praxis bei Mehrheitsentscheidungen des erweiterten Bewertungsausschusses für die ärztlichen bzw. zahnärztlichen Leistungen vorrangig auf die Stimme des Vorsitzenden ankommt.
Rz. 177
Zur Vorbereitung der Festsetzung einer Vereinbarung für ärztliche Leistungen greift der erweiterte Bewertungsausschuss auf das Institut oder den beauftragten Dritten nach Abs. 3b zurück, die ihm nach seinen Weisungen unmittelbar und unverzüglich zuzuarbeiten haben. Das verbessert nach der Gesetzesbegründung die Position des erweiterten Bewertungsausschusses erheblich, weil auf die Entscheidungsgrundlagen des Instituts bzw. des beauftragten Dritten zurückgegriffen werden kann. Damit steigen die Chancen, dass auch bei Nichteinigung im Bewertungsausschuss schneller und ohne Eingreifen des BMG Beschlüsse im erweiterten Bewertungsausschuss getroffen werden.
Rz. 178
Die Festsetzung der Bewertung ärztlicher/zahnärztlicher Leistungen durch die erweiterten Bewertungsausschüsse hat nach Abs. 5 Satz 2 der Vorschrift die gleiche Rechtswirkung wie Vereinbarungen zum BMV-Ä bzw. BMV-Z. Weil es sich um einheitliche Bewertungsmaßstäbe handelt, stehen sie, egal ob einstimmig vereinbart oder festgesetzt, nicht zur Disposition der Gesamtvertragspartner auf Landesebene und auch nicht zur Disposition einer Kassenart auf Bundesebene oder der KBV/KZBV. Die Festsetzung schafft normatives Recht. Damit besteht auch keine Möglichkeit, außerhalb der Bewertungsmaßstäbe die Vergütung ärztlicher/zahnärztlicher Leistungen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung zu regeln oder innerhalb der Bewertungsmaßstäbe die Punktwertrelationen für eine bestimmte Kassenart bzw. eine KV/KZV zu ändern.