Rz. 69
Das Beitrittsrecht von Spätaussiedlern und deren Ehegatten und Abkömmlingen ist durch Art. 5 Nr. 3a, Art. 61 Abs. 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt mit Wirkung zum 1.1.2005 eingeführt worden.
Rz. 70
Die Regelung ist erst im Verlauf der Beratungen zum Vierten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in das Gesetzgebungsverfahren eingeführt und in der BT-Drs. 15/1749 S. 35/36 wie folgt begründet worden: Infolge der Aufhebung der Vorschriften über die Eingliederungshilfe für Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge i. S. d. § 7 Abs. 2 Bundesvertriebenengesetz (BVFG) sind diese Personen nicht mehr wie bisher für die Dauer der Eingliederungshilfe von bis zu 6 Monaten gesetzlich krankenversichert. Infolgedessen kann nur für erwerbsfähige Spätaussiedler sowie für deren erwerbsfähige Ehegatten und Abkömmlinge i. S. d. § 7 Abs. 2 BVFG bei Vorliegen der Voraussetzungen Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung für die Dauer des Bezugs von Alg II bestehen. Endet die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung aufgrund des Endes des Bezugs von Alg II, bevor die Vorversicherungszeit für die freiwillige Weiterversicherung von ununterbrochen 12 Monaten (§ 9 Abs. 1 Nr. 1) vorliegt, ist ein besonderes Beitrittsrecht erforderlich. Die Neuregelung übernimmt den Inhalt des bisher in § 10 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetzes (FAG) geregelten Beitrittsrechts für Spätaussiedler zur gesetzlichen Krankenversicherung. § 10 FAG gilt gemäß Art. 7 § 3 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) v. 25.2.1960 bis zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung weiter. In der erstinstanzlichen Rechtsprechung der Sozialgerichte wird hierzu die Auffassung vertreten, dass die Kodifizierung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung als Fünftes Buch Sozialgesetzbuch mit Wirkung zum 1.1.1989 eine Neuregelung i. S. v. Art. 7 § 3 Abs. 2 FANG sei mit der Folge, dass die Vorschrift des § 10 FAG nicht mehr angewendet werden könne. Des Weiteren ist bei der Anwendung des § 10 FAG streitig, ob sich das Beitrittsrecht zur gesetzlichen Krankenversicherung auch auf die in § 7 Abs. 2 Satz 1 BVFG leistungsberechtigten Ehegatten und Abkömmlinge bezieht. Die Neuregelung enthält hierzu eine dies bejahende gesetzliche Klarstellung und trägt damit einem Anliegen der Aufsichtsbehörden über die Krankenkassen Rechnung.
Rz. 71
Diese Begründung ist insoweit nicht plausibel, als die Einräumung eines besonderen Beitrittsrechts mit dem Wegfall der Vorschriften über die Eingliederungshilfe für Spätaussiedler und ihre Ehegatten und Abkömmlinge (§§ 418, 420 SGB III i. d. F. bis 31.12.2004) begründet wird, denn auch anderen Personen ist, wenn sie aus der Krankenversicherungspflicht ausscheiden, bevor sie die Vorversicherungszeiten nach Abs. 1 Nr. 1 erfüllen, kein Beitrittsrecht eingeräumt. Das gilt z. B. auch für die nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a seit dem 1.1.2005 versicherungspflichtigen Bezieher von Alg II/Bürgergeld bei Einstellung der Leistung vor Ablauf von 12 Monaten in Fällen der Feststellung der Erwerbsunfähigkeit nach § 8 SGB II oder der fehlenden Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II. Das Beitrittsrecht nach Nr. 7 gehört daher richtigerweise zu den Vergünstigungen für den Personenkreis der Spätaussiedler als Statusdeutsche (Art. 116 Abs. 1 GG). Insbesondere beendet die Regelung aber den Streit und die rechtlichen Unklarheiten darüber, ob außerhalb der Beitrittsrechte nach dem SGB V noch das Beitrittsrecht nach § 10 des Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) weiter bestanden hatte. Die ausdrückliche Aufhebung von § 10 FAG und Art. 7 § 3 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) durch Art. 61 Abs. 3 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt ab 1.1.2005 lässt es allerdings für die Vergangenheit offen, ob das SGB V eine Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung i. S. d. Art. 7 § 3 Abs. 2 FANG war.
2.9.1 Beitrittsberechtigter Personenkreis
Rz. 72
Der nach Abs. 1 Nr. 7 beitrittsberechtigte Personenkreis umfasst die Spätaussiedler i. S. d. § 4 Abs. 1 BVFG, also i. d. R. deutsche Volkszugehörige, die die Republiken der ehemaligen Sowjetunion, Estland, Lettland oder Litauen nach dem 31.12.1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von 6 Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes ihren ständigen Aufenthalt genommen haben, wenn sie oder ihre Eltern bzw. Voreltern zu bestimmten Stichtagen zuvor den Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten hatten. Spätaussiedler ist nach § 4 Abs. 2 aber auch ein deutscher Volkszugehöriger, der aus anderen als den in Abs. 1 genannten Staaten (Aussiedlungsgebieten nach § 1 Abs. 2 Nr. 3 BVFG) stammt, die übrigen Voraussetzungen des Abs. 1 erfüllt und zusätzlich glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen aufgrund deutscher Volkszugehörigkeit unterlegen hatte. Wer deutscher Volkszugehöriger is...