Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 47
Nach Abs. 10 ist der Gemeinsame Bundesausschuss verpflichtet, spätestens ab dem 1.9.2012 die zu erwartenden Bürokratiekosten zu ermitteln und diese Kosten in der Begründung des jeweiligen Beschlusses nachvollziehbar darzulegen. Näheres regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 30.6.2012 in seiner Verfahrensordnung (vgl. Abs. 10 Satz 3). Der Verweis in Satz 1 auf § 2 Abs. 2 und 3 des Normenkontrollratsgesetzes besagt, dass die Bürokratiekostenschätzung nach den gleichen Bedingungen zu erfolgen hat, wie sie etwa für die Regelungsentwürfe der Bundesministerien gelten. Das Gesetz zur Einsetzung eines Nationalen Normenkontrollrates (NatNormKRG) v. 14.8.2006 (BGBl. I S. 1866) schreibt in § 2 vor, dass Bürokratiekosten solche sind, die natürlichen oder juristischen Personen durch Informationspflichten entstehen. Informationspflichten sind die aufgrund von Gesetz, Rechtsverordnung, Satzung oder Verwaltungsvorschrift bestehende Verpflichtungen, Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln. Bei der Messung der Bürokratiekosten ist nach § 2 Abs. 2 das Standardkosten-Modell (SKM) anzuwenden. Die international anerkannten Regeln zur Anwendung des Standardkosten-Modells sind zugrunde zu legen. Bei der erstmaligen Ermittlung der für die Durchführung der Messung bei Unternehmen notwendigen Kennziffern (Kosten pro Einheit, Zeit pro einzelner durch das Gesetz ausgelöster Aktivität sowie deren Häufigkeit pro Jahr und Anzahl der betroffenen Unternehmen) sind alle Bürokratiekosten zu berücksichtigen, die auf Bundesrecht beruhen (§ 2 Abs. 3 NatNormKRG). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat nach § 5a der Verfahrensordnung eine Stabsstelle Bürokratiekostenermittlung eingerichtet. Die eigenständige Stabsstelle ist unmittelbar der Geschäftsführung zugeordnet (vgl. § 23a der Geschäftsordnung). Sie unterstützt den Gemeinsamen Bundesausschuss bei der Durchführung der Bürokratiekostenermittlung organisatorisch und inhaltlich und hat insbesondere folgende Aufgaben:
- Hinwirken auf bürokratiearme Vorgaben zur Umsetzung der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses und Unterstützung der Gremien bei dem Bürokratiekostenabbau,
- Gewährleistung einer im Gemeinsamen Bundesausschuss einheitlichen und sachgerechten Methodenanwendung bei der Bürokratiekostenermittlung nach Abs. 10 unter Beachtung der Anlage II des 1. Kapitels der Verfahrensordnung,
- Methodische Unterstützung der Geschäftsführung sowie der Mitglieder der Unterausschüsse und deren Arbeitsgruppen bei der Ermittlung der Bürokratiekosten,
- Einbeziehung des Nationalen Normenkontrollrates zur Klärung grundsätzlicher methodischer Fragen,
- Zusammenarbeit mit dem Statistischen Bundesamt insbesondere im Hinblick auf die dem Gemeinsamen Bundesausschuss vom Statistischen Bundesamt zur Verfügung gestellten Datenbank,
- Pflege der zentralen Datenbank, in der alle Beschlüsse mit den dafür ermittelten Bürokratiekosten erfasst werden,
- Regelmäßige Überprüfung der angewandten methodischen Grundlagen zur Bürokratiekostenermittlung,
- Erstellung eines jährlichen Berichts über den aktuellen Stand zur Vermeidung unnötiger Bürokratie zur Vorstellung im Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses.
In Anlage II der Verfahrensordnung sind die Regelungen zum Ablauf und den methodischen Grundlagen der Bürokratiekostenermittlung näher beschrieben. Die Regelungen beziehen sich auf die Analyse und die Erhebung der Bürokratiekosten auf der Basis des aktuellen Leitfadens für die Ex-ante Abschätzung der Bürokratiekosten nach dem Standardkosten-Modell sowie des Methodenhandbuches der Bundesregierung zur Bürokratiekostenermittlung. Die Kostenermittlung wird in den jeweiligen Beschlussunterlagen (tragende Gründe und zusammenfassende Dokumentation) nachvollziehbar dargestellt. Die Stabsstelle trägt Fragen von übergreifender methodischer Bedeutung in die Arbeitsgruppe Geschäftsordnung/Verfahrensordnung und diese werden dort bei Bedarf unter Hinzuziehung des Statistischen Bundesamtes und des Nationalen Normenkontrollrates beraten. Der Gemeinsame Bundesausschuss überprüft regelmäßig, erstmalig 2 Jahre nach Inkrafttreten, die in der Anlage II enthaltenen methodischen Grundlagen auf Veränderungs- und Anpassungsbedarf (z. B. im Hinblick auf den Kreis der Normadressaten, auf Ergänzung neuer Standardaktivitäten, Zeitwerte oder Anpassung der Excel Tabelle des Statistischen Bundesamtes). Bei einzelnen Beschlüssen kann der Gemeinsame Bundesausschuss seine Bürokratiekostenermittlung durch ein externes Gutachten in einem Ex-post-Verfahren überprüfen lassen, um die Qualität der Ex-ante-Schätzung zu bewerten; der Zeitpunkt für eine solche Ex-post-Ermittlung soll bereits im jeweiligen Beschluss festgelegt werden, kann jedoch auch nachträglich erfolgen. Im Bedarfsfall kann der Gemeinsame Bundesausschuss auch externe unabhängige Gutachten zur Bürokratiekostenermittlung einholen.