Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 12
Der Gemeinsame Bundesausschuss ist rechtsfähig (§ 91 Abs. 1 Satz 2). Er hat seinen Sitz in Berlin und führt ein Dienstsiegel. Er ist eine von seinen Trägerorganisationen rechtlich unabhängige, eigenständige Organisation, was z. B. daran deutlich wird, dass die unparteiischen Mitglieder bei Vorliegen eines wichtigen Grundes nur vom BMG als Aufsichtsbehörde, nicht aber von den Trägerorganisationen abberufen werden können. Zu den sonstigen Rechten, über die das Plenum (= Beschlussgremium i. S. v. Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift) als Organ des Gemeinsamen Bundesausschusses entscheidet, gehören der Haushalts- und Stellenplan, die außerplanmäßigen Ausgaben sowie die jährliche Entlastung des unparteiischen Vorsitzenden und des Geschäftsführers, der Erwerb, die Veräußerung oder die Belastung von Grundstücken, die Errichtung von Gebäuden, der Abschluss von Mietverträgen, die Hausordnung oder die Bestellung eines Geschäftsführers einschließlich der Stellvertretung sowie die Festlegung der Unterausschuss-Vorsitzenden aus dem Kreis der unparteiischen Mitglieder. Die Pflichten des Gemeinsamen Bundesausschusses ergeben sich unmittelbar aus dem Gesetz (vgl. z. B. § 92).
Rz. 13
Teilnahme am Rechtsverkehr heißt auch, dass der Gemeinsame Bundesausschuss wegen seiner Entscheidungen oder Richtlinien verklagt werden kann. Das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes v. 26.3.2008 (BGBl. I S. 444) hat mit Wirkung zum 1.4.2008 bestimmt, dass Klagen gegen Beschlüsse und Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses im ersten Rechtszug durch das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg entschieden werden (§ 29 Abs. 4 Nr. 2 SGG). Die regionale Zuständigkeit eines bestimmten LSG hängt insbesondere damit zusammen, dass bei den Richtlinien und Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses die Gerichtsentscheidung regelmäßig das gesamte Bundesgebiet betrifft und dass der Gemeinsame Bundesausschuss zum 1.1.2009 seinen Sitz von Siegburg nach Berlin verlegt hat.
Rz. 14
Die Rechtskonstruktion Gemeinsamer Bundesausschuss ermöglicht den Ärzten/Psychotherapeuten, den Zahnärzten, den Krankenhäusern und Krankenkassen, an allen für sie versorgungsrelevanten Entscheidungen in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die bestellten Vertreter ihrer Spitzenorganisationen mitzuwirken. Ein gelegentlich zu hörender Vorwurf, die Maßnahmen und Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, meist durch Festlegung in Richtlinien oder durch einzelne Beschlüsse (z. B. zu neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nach § 135), seien Eingriffe in die Therapiefreiheit der Ärzte/Psychotherapeuten, der Zahnärzte und der Krankenhäuser, entbehrt deshalb jeglicher Grundlage. Die auf ihren Antrag zur medizinischen Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zugelassenen Leistungserbringer müssen ihre Leistungen entsprechend den vom Gemeinsamen Bundesausschuss entwickelten Vorgaben für ihr Versorgungsgebiet erbringen, wenn die Krankenkassen die Kosten der Leistungen übernehmen sollen. Alternativ können sie die Zulassung auch zurückgeben, jedoch nicht von sich aus die sie bindenden Vorgaben ändern oder unterlaufen.