Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 18
Unparteiisch bedeutet, dass das einzelne Mitglied oder seine 2 Stellvertreter sich bei ihrer Tätigkeit für den Gemeinsamen Bundesausschuss, insbesondere bei ihren Entscheidungen, neutral verhalten müssen, sie praktisch in die Rolle der Schiedsrichter schlüpfen, die losgelöst von den subjektiven Interessenlagen der Leistungserbringer oder der Krankenkassen neutral entscheiden. Ihre Aufgabe besteht insbesondere darin, die ggf. unterschiedlichen Interessen der Leistungserbringer und der Krankenkassen, aber auch zwischen den Leistungserbringern, möglichst einvernehmlich auszugleichen. Die einvernehmliche Problemlösung ist deshalb besonders wichtig, weil die Richtlinien und sonstigen Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses später von den einzelnen Leistungserbringern und von den Krankenkassen angenommen und in die Praxis umgesetzt werden müssen.
Nach Abs. 2 Satz 3 können als unparteiische Mitglieder nur solche Personen benannt werden, die im vorangegangenen Jahr nicht bei einer der Trägerorganisationen, bei deren Mitgliedern (z. B. Kassenärztliche Vereinigungen, Kassenzahnärztliche Vereinigungen, Landeskrankenhausgesellschaften, Krankenhäuser, Landesverbände der Krankenkassen, Krankenkassen oder Ersatzkassen) beschäftigt waren. Entsprechendes gilt, wenn der Kandidat selbst als Vertragsarzt, Vertragszahnarzt oder Vertragspsychotherapeut tätig war. Da die Amtsperiode des Gemeinsamen Bundesausschuss in der Regel am 1.7. beginnt, beträgt der Zeitabstand maximal 18 Monate, in denen kein Beschäftigungsverhältnis bei einer Trägerorganisation, ihren Mitgliedern oder keine selbstständige Tätigkeit als Vertragsarzt bestanden haben durfte, um die Unparteilichkeit nicht von vornherein auszuschließen. Die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder der Vertragsarzttätigkeit im vorangegangenen Jahr ist nicht entscheidend, sodass theoretisch schon ein Tag ausreichen würde, die Unparteilichkeit zu verneinen.
Rz. 19
Maßgebend für die Beurteilung der Unabhängigkeit sind daher das Beschäftigungsverhältnis oder die selbstständige Tätigkeit, nicht aber z. B., dass der Kandidat vor dem Zeitpunkt seiner Bestellung von einer Trägerorganisation oder von deren Mitgliedern seit mehr als 18 Monaten Pension o. ä. bezieht. Die Karenzzeit seit dem Ende der Beschäftigung oder der selbstständigen Tätigkeit geht auf eine Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit zurück, weil sich damit die Gewähr erhöht, dass sich sowohl hinreichend unabhängige und unparteiliche als auch fachlich qualifizierte Personen für die wichtigen Aufgaben im Gemeinsamen Bundesausschuss gewinnen lassen. Gerade die fachliche Qualifikation könnte Schaden genommen haben, wenn der Zeitabstand zu groß angesetzt wäre. Deshalb hätte nach Meinung des Ausschusses die im Gesetzentwurf der Bundesregierung enthaltene 3-jährige Karenzzeit den Kreis möglicher Kandidaten für die Funktion eines unparteiischen Mitglieds oder dessen Stellvertreter in größerem Maße eingeschränkt, als es zur Stärkung der Neutralität erforderlich wäre.
Rz. 20
Die unparteiischen Mitglieder üben gemäß Abs. 2 Satz 8 ihre Tätigkeit i.d.R. hauptamtlich aus. Dies stärkt die Professionalität der Arbeitsweise, was aber auch von den einzelnen Persönlichkeiten und ihrem Engagement für die Arbeit im Gemeinsamen Bundesausschuss abhängen dürfte. Angesichts der umfangreichen Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, seiner gerichtlichen und außergerichtlichen Vertretung durch den unparteiischen Vorsitzenden und der sich aus Abs. 2 Satz 10 ergebenden Verpflichtung für die einzelnen unparteiischen Mitglieder, den ständigen Vorsitz in einem oder mehreren der 9 Unterausschüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zu übernehmen, kann im Regelfall nur eine hauptamtliche Tätigkeit in Betracht kommen. Eine ehrenamtliche Ausübung des Amtes eines unparteiischen Mitgliedes ist im Ausnahmefall zwar zulässig (vgl. Abs. 2 Satz 8 HS 2), setzt aber voraus, dass der jeweilige Unparteiische von seinem Arbeitgeber in dem für die Tätigkeit im Gemeinsamen Bundesausschuss erforderlichen Umfang freigestellt wird. Vorstellbar ist diese Ausnahme vielleicht dann, wenn das unparteiische Mitglied als Beisitzer z. B. nur für einen (kleinen) Teil der Amtsperiode berufen wird und für den Arbeitgeber von vornherein absehbar ist, dass die ehrenamtliche Tätigkeit bald endet.
Rz. 21
Mit der im Regelfall hauptamtlichen Tätigkeit ist klargestellt, dass die Unparteiischen ihre volle Arbeitskraft der Tätigkeit im Gemeinsamen Bundesausschuss widmen sollen, zu dem sie für die Dauer ihrer Amtszeit in einem Dienstverhältnis stehen. Die Dienstvereinbarung mit dem hauptamtlichen Vorsitzenden schließen nach Abs. 2 Satz 11 die Organisationen, die den Gemeinsamen Bundesausschuss bilden. Mit Wirkung zum 13.8.2013 ist durch Beschlussempfehlung des Bundestagsausschusses für Gesundheit klargestellt, dass diese Trägerorganisationen künftig für alle Unparteiischen, also für den Vorsitzenden und die 2 weiteren hauptamtlich tätigen Unparteiischen, die Dienstver...