Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 78
Der mit Wirkung zum 11.5.2019 eingefügte Abs. 1b geht auf den Beschluss des Ausschusses für Gesundheit (14. Ausschuss des Bundestages) zurück.
In der vertragszahnärztlichen Versorgung gelten für die Gründung eines MVZ zunächst einmal die gleichen Bedingungen wie in der vertragsärztlichen Versorgung. Auch zugelassene Vertragszahnärztinnen und Vertragszahnärzte sind danach berechtigt, ein rein zahnärztliches MVZ zu gründen, was aber in der Praxis eher selten vorkommen dürfte. So seien z. B. nach Aussage des Vorsitzenden des Vorstandes der KZBV v. 30.1.2018 reine Zahnarzt-MVZ ein "Irrweg in der vertragszahnärztlichen Versorgung, weil sie in ländlichen Gebieten eine Unterversorgung befeuern und in urbanen, einkommensstarken Regionen eine Überversorgung verstärken würden".
Die aktuelle Entwicklung in der vertragszahnärztlichen Versorgung zeigt aber, dass das bereits mit dem GKV-VSG verfolgte gesetzgeberische Grundanliegen, solche Leistungserbringer von der Gründungsberechtigung von MVZ auszuschließen, die von Investoren allein mit dem Ziel aufgekauft worden waren, die Gründungsvoraussetzungen für MVZ zu erfüllen, bislang nur unvollkommen umgesetzt ist. Private Equity-Gesellschaften hatten vor dem TSVG weiterhin die Möglichkeit, z. B. durch den Erwerb eines nach § 108 zugelassenen Krankenhauses eine MVZ-Gründungsberechtigung zu erhalten. Dabei sind solche Private-Equity-Gesellschaften vorrangig an der Rendite ihrer Investitionen interessiert, sodass die begründete Gefahr besteht, dass zahnmedizinische Entscheidungen von versorgungsfernen Zielvorgaben stärker beeinflusst werden. Nach der Gesetzesbegründung zeigt auch die Analyse des Abrechnungsverhaltens in sog. Investor-MVZ deutliche Hinweise auf eine renditeorientierte Leistungserbringung, die bei einer rückläufigen Entwicklung der Morbidität im zahnmedizinischen Bereich nicht erklärbar und auch mit dem Abrechnungsverhalten sonstiger Leistungserbringer nicht in Einklang zu bringen ist. Die hieraus abzuleitenden Hinweise auf eine Über- und Fehlversorgung in Invstor-MVZ werden bestätigt durch Erfahrungen aus dem europäischen Ausland, wo die investor-gesteuerten Zahnarztketten zum Teil bereits große Anteile an der zahnärztlichen Versorgung halten. In diesem Zusammenhang hat der Council of European Dentists jüngst vor einer Kommerzialisierung zahnärztliche Leistungen gewarnt und dabei insbesondere die von Finanzinvestoren betriebenen Zahnarztketten kritisiert. Nach seiner Auffassung sind mit dem Geschäftsmodell der Investoren erhebliche Gefahren für die Gesundheit der Patientinnen und Patienten sowie für die Beschäftigten verbunden. Zu beobachten seien unethische Praktiken und unzulässiger Druck auf Zahnärzte, bestimmte klinische Ziele zu erreichen, z. B. Quoten für eingesetzte Implantate (Council of European Dentists, Dentalketten in Europa, Entschließung vom 16.11.2018). Auch die KZBV, die Bundeszahnärztekammer und der Freie Verband deutscher Zahnärzte e. V. hatten im Rahmen der Gesetzesentwicklung zusätzliche Beschränkungen für die Gründung von zahnärztlichen MVZ durch private Investoren ohne fachlich-zahnmedizinischen Bezug gefordert.
Rz. 79
Vor diesem Hintergrund ist mit Wirkung zum 11.5.2019 durch Abs. 1b die Gründungsberechtigung von Krankenhäusern für MVZ in Abhängigkeit von den regionalen Versorgungsbedürfnissen auf differenzierte Versorgungsanteile beschränkt worden, um die in Abs. 1a vorgesehene Vielfalt der gründungsberechtigten Leistungserbringer zu erhalten und die bestehenden Übernahmeprozesse durch Beteiligungsgesellschaften ohne originäres Versorgungsinteresse zu begrenzen. Regelungsalternativen zur gleichwertigen Erreichung der Regelungsziele (Verhinderung wettbewerbsfeindlicher Anbieterdominanz, ausgewogene und flächendeckende Versorgung, Verhinderung großflächiger Fehlversorgung) waren nach der Gesetzesbegründung nicht ersichtlich. Insbesondere gegenüber einem vollständigen Ausschluss der MVZ-Gründungsbefugnis für Krankenhäuser habe sich die Einschränkung der Gründungsbefugnis bei gleichzeitiger Berücksichtigung bestehender Versorgungsbedürfnisse als das mildere Mittel erwiesen. Eine Koppelung der Zulassung an die Verpflichtung zur Erbringung eines bestimmten Leistungsspektrums zur Vermeidung der Einengung des Versorgungsangebots auf besonders lukrative Leistungen wäre zudem nicht sachgerecht, da nach der geltenden Rechtslage aus der Zulassung eines Vertragszahnarztes folgt, dass er die für die vertragszahnärztliche Versorgung wesentlichen Leistungen auch tatsächlich anbieten und erbringen muss. Insoweit steht ein zugelassenes zahnärztliches MVZ einer Vertragszahnärztin oder einem Vertragszahnarzt gleich. Und schließlich würde sich nach der Gesetzesbegründung die nunmehr eingeführte Regelung auch als milderes Mittel gegenüber einer Wiedereinführung umfassender Zulassungsbeschränkungen erweisen. Ein Fachbezug des ein MVZ gründenden Krankenhauses zur zahnmedizinischen Versorgung wird aber nicht gefordert, weil dies der Absicht des Gesetzgebers z...