Prof. Dr. Volker Wahrendorf
Rz. 5a
Mit Wirkung zum 11.5.2019 ist durch Abs. 2a erstmalig ein Mitberatungsrecht der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden bei bestimmten Entscheidungen des Zulassungsausschusses eingeführt worden. Damit haben die zuständigen obersten Landesbehörden nach der Gesetzesbegründung in den enumerativ aufgezählten Verfahren der Zulassungsausschüsse ein Mitberatungsrecht erhalten, das zugleich ein Informations- und verfahrensleitendes Antragsrecht umfasst. Sie werden dadurch in die Lage versetzt, bei den für das Versorgungsgeschehen besonders relevanten Entscheidungen angemessen mitwirken zu können. Dies unterstreicht z. B. auch die grundsätzlich bestehenden Verantwortung der obersten Landesbehörden für die Sicherstellung der gesundheitlichen Versorgung der Bevölkerung im jeweiligen Bundesland. Zu den enumerativ aufgeführten Verfahren gehören nach Abs. 2a Satz 1:
- die ausnahmsweise Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze nach § 101 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3,
- die Durchführung eines Nachbesetzungsverfahrens nach § 103 Abs. 3a,
- die Besetzung zusätzlicher Vertragsarztsitze auf der Grundlage von Entscheidungen der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Landesbehörden nach § 103 Abs. 2 Satz 4,
- die Ablehnung einer Nachbesetzung nach § 103 Abs. 4 Satz 10,
- die Ermächtigung von Ärzten und Einrichtungen,
- die Befristung einer Zulassung nach § 19 Abs. 4 Ärzte-ZV und
- die Verlegung eines Vertragsarztsitzes oder einer genehmigten Anstellung nach § 24 Ärzte-ZV.
Das Mitberatungsrecht umfasst auch das Recht der frühzeitigen Information über die Verfahrensgegenstände, das Recht der Teilnahme an den Sitzungen einschließlich des Rechts zur Anwesenheit bei der Beschlussfassung sowie das Recht zur Stellung verfahrensleitender Anträge. Die Wahrnehmung des Mitwirkungsrechts stellt der Vorsitzende des Zulassungsausschusses schon mit der Einladung zur Sitzung sicher. Eine Frist für die Einladung ist zwar nicht vorgegeben, aber weil es sich zum Teil um dieselben Fallgestaltungen handelt, bei denen Patientenorganisationen beratend mitwirken, kann die in § 140f genannte 2-Wochen-Frist für die Einladung zumindest entsprechend gelten. Die 2-Wochen-Frist zwischen der zugestellten Ladung und der mündlichen Verhandlung gilt nach § 37 Abs. 2 auch für die KV, die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen, sodass für die oberste Landesbehörde dieselbe Frist maßgebend sein sollte. In der Ärzte-ZV i. d. F. des TSVG findet sich jedenfalls kein Hinweis, dass für die obersten Landesbehörden etwas anderes gelten soll.
Nach der Gesetzesbegründung haben die Zulassungsausschüsse jährlich eine sehr große Verfahrensanzahl abzuarbeiten, so dass die Mitwirkung in den vorgenannten Verfahren unmittelbar und ausschließlich durch eine oberste Landesbehörde, insbesondere in großen Flächenstaaten, kaum realisierbar erscheint. Um eine effektive Wahrnehmung des Mitberatungsrechts sicherzustellen, ist in der Gesetzesbegründung angeregt worden, eine Delegationsmöglichkeit dieses Rechts auf geeignete Fachstellen zu schaffen, die für diese Aufgabe auch passgenauer organisiert und ausgestaltet werden können, als dies in den obersten Landesbehörden der Fall ist. Dies würde einerseits einer effektiven Mitberatung durch die Landesbehörden dienen wie andererseits einer effektiven Führung der Zulassungsverfahren durch die Zulassungsausschüsse. Trotz der in der Gesetzesbegründung angeregten Übertragung auf nachgeordnete Behörden hat diese Möglichkeit im Gesetzestext keinen Ausdruck gefunden und ist nach geltendem Recht nicht zulässig. Beide Rechte, d. h. das effektive Mitwirkungsrecht und die effektive Führung des Zulassungsverfahrens stehen sich gleichrangig gegenüber. Der Zulassungsausschuss, der Anträge der Antragsteller innerhalb angemessener Zeit zu entscheiden hat, wird aber darauf achten, dass die oberste Landesbehörde die Entscheidung nicht auf die lange Bank schieben kann.