Prof. Dr. Volker Wahrendorf
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
Die Vorschrift ist mit Art. 1 Gesundheits-Reformgesetz (GRG) v. 20.12.1988 (BGBl. I S. 2477) am 1.1.1989 in Kraft getreten. Aufgrund des Gesundheitsstrukturgesetzes (GSG) v. 21.12.1992 (BGBl. I S. 2266) sind die Abs. 1, 2 und 5 mit Wirkung zum 1.1.1993 geändert worden. Mit dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) v. 26.3.2007 (BGBl. I S. 378) sind Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Sätze 1 und 3 und Abs. 5 Satz 2 mit Wirkung zum 1.7.2008 (vgl. Art. 46 Abs. 9 GKV-WSG) geändert worden.
1 Allgemeines
Rz. 1a
Über Widersprüche gegen Beschlüsse der Zulassungsausschüsse (§ 96 Abs. 4) in Zulassungssachen entscheiden die Berufungsausschüsse. Auch sie sind Einrichtungen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte/Zahnärzte und der Krankenkassen. In die Rechtskonstruktion "Berufungsausschuss" sind seit Inkrafttreten des GSG am 1.1.1993 die Ersatzkassen mit allen Rechten und Pflichten integriert, so dass es das für sie bis dahin gültige, besondere Beteiligungsverfahren nicht mehr gibt. Das Verfahren vor dem Berufungsausschuss richtet sich nach den Zulassungsverordnungen für Vertragsärzte bzw. für Vertragszahnärzte (§ 98).
Mit Wirkung zum 1.7.2008 sind in der Vorschrift die Wörter "Verbände der" gestrichen worden. Dies geht auf eine Änderung der Organisationsstruktur der Verbände der Krankenkassen zurück. Auf Landesebene hat es bisher keine selbständigen Verbände der Ersatzkassen gegeben. Gehandelt haben für die Ersatzkassen der VdAK e. V. und der AEV e. V., und zwar sowohl auf der Bundesebene als auch auf der Landesebene. Die Spitzenverbände verlieren zum 1.7.2008 ihre bisherige Rechtsposition an den Spitzenverband Bund der Krankenkassen (vgl. § 217f i. d. F. des GKV-WSG), sodass auf der Landesebene die Verbände der Ersatzkassen durch die Ersatzkassen ersetzt werden. In den Berufungsausschüssen handeln die Ersatzkassen als Gesamtheit. Nach § 212 Abs. 5 haben sie einen gemeinsamen Vertreter zu benennen, der für sie z. B. über die Errichtung eines oder mehrerer Berufungsausschüsse mitentscheidet und den Beisitzer für die Ersatzkassen im Berufungsausschuss bestellt.
2 Rechtspraxis
Rz. 2
§ 97 enthält neben Vorschriften zur Besetzung, zur funktionellen und örtlichen Zuständigkeit Vorschriften zum Verfahren sowie zur Möglichkeit, die sofortige Vollziehung der Entscheidung des Berufungsausschusses anzuordnen.
2.1 Zusammensetzung (Abs. 2)
Rz. 3
Nach Abs. 1 wird für den Bezirk einer Kassenärztlichen/Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KV/KZV) mindestens ein Berufungsausschuss für Ärzte und ein Berufungsausschuss für Zahnärzte errichtet; möglich ist auch, innerhalb eines Bezirks einer KV/KZV mehrere Berufungsausschüsse zu bilden, falls dies bedarfsgerecht erscheint. Darüber hinaus kann für die Bezirke mehrerer Kassenärztlicher Vereinigungen ein gemeinsamer Berufungsausschuss für Ärzte bzw. Zahnärzte gebildet werden, was aber in praxi noch nicht vorgekommen ist. In Nordrhein-Westfalen ist für Nordrhein und Westfalen-Lippe jeweils ein Berufungsausschuss errichtet worden. Diese Einteilung ist historisch gewachsen und akzeptiert worden.
Berufungsausschüsse werden, wie Zulassungsausschüsse, durch die Kassenärztliche Vereinigung, die Landesverbände der Krankenkassen und die Verbände der Ersatzkassen (ab 1.7.2008 durch den gemeinsam benannten Vertreter der Ersatzkassen) errichtet. Sie sind Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung, was auch einschließt, dass die Errichtungskörperschaften im Rahmen der Amtshaftung (Art. 34 GG, § 839 BGB) ggf. für pflichtwidriges Fehlverhalten der Ausschussmitglieder oder der Bediensteten der Geschäftsstelle geradestehen.
Rz. 4
Gegenüber der Besetzung der Zulassungsausschüsse, in dem theoretisch durch Blockbildung auch objektiv gerechtfertigte Anträge abgelehnt werden könnten, kommt beim Berufungsausschuss ein Vorsitzender hinzu, der die Befähigung zum Richteramt haben muss; ansonsten bleibt es bei der paritätischen Besetzung mit 3 Vertretern der Ärzte und 3 Vertretern der Krankenkassen. Die Befähigung zum Richteramt liegt vor, wenn die zweite juristische Staatsprüfung abgelegt worden ist (Volljurist). Abs. 2 sieht vor, dass sich die Vertreter der Ärzte und der Krankenkassen (Beisitzer) über den Vorsitzenden einigen sollen. Im Falle der Nichteinigung wird der Vorsitzende von der für die Sozialversicherung zuständigen obersten Verwaltungsbehörde berufen. Das dabei herzustellende "Benehmen" mit der Kassenärztlichen Vereinigung, den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen (ab 1.7.2008 dem gemeinsam benannten Vertreter der Ersatzkassen) steht einem Anhörungsrecht gleich. Die Entscheidung trifft die oberste Verwaltungsbehörde des Landes, d. h. das Sozialministerium oder der Sozialsenat.
Besetzt ist der Berufungsausschuss neben dem Vorsitzenden mit jeweils 3 Vertretern der Ärzte und 3 Vertretern der Krankenkassen. In Zulassungsverfahren der Psychotherapeuten und überwiegend oder ausschließlich psychotherapeutisch tätigen Ärzten (§ 101 Abs. 4 Satz 1) treten auch im Verfahren vor dem Berufungsausschuss an die Stelle der Vertreter der Ärzte Vertreter der P...