2.1 Versicherter Personenkreis
Rz. 4
Abs. 2 verdeutlicht generalisierend die Schutzfunktion der Pflegeversicherung, indem alle in der gesetzlichen Krankenversicherung pflicht- und freiwillig versicherten Personen sowie ihre berechtigten Familienangehörigen oder eingetragenen Lebenspartner (§ 25) von ihr kraft Gesetzes erfasst werden. Diese Personenkreise werden in §§ 20, 25 enumerativ genannt, entsprechen aber auch den in § 5, § 10 Abs. 1 SGB V aufgeführten Personen.
Die Personen, die privat für den Fall der Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen versichert sind, unterliegen nicht der Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung. Für sie besteht allerdings die zwingende Verpflichtung zum Abschluss einer privaten Pflegeversicherung entweder bei dem Versicherungsunternehmen, bei dem sie privat krankenversichert sind, oder bei einem anderen Versicherungsunternehmen.
Weitere Einzelheiten hierzu finden sich in § 23. Mit Abs. 2 wird den privaten Pflegeversicherungsunternehmen ein Stellenwert eingeräumt, der demjenigen der Pflegekassen in der sozialen Pflegeversicherung vergleichbar ist (BSG, Beschluss v. 1.10.2009, B 3 P 13/09 B, SozR 4-1500 § 62 Nr. 12).
Rz. 4a
Das BVerfG hatte sich mit einer Vielzahl verfassungsrechtlicher Fragen um die Schaffung der sozialen und der privaten Pflegeversicherung zu befassen und in verschiedenen mit dem 3.4.2001 datierten Entscheidungen seine Sichtweise verkündet. Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist der zur sozialpolitischen Gestaltung berufene Gesetzgeber befugt gewesen, eine im Grundsatz alle Bürger erfassende Volksversicherung einrichten, um die für die Pflege hilfsbedürftiger Menschen notwendigen Mittel auf der Grundlage einer Pflichtversicherung sicherzustellen (BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 2014/95, BVerfGE 103 S. 197). Es bestehen auch verfassungsrechtlich keine Bedenken, dass der Gesetzgeber die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung grundsätzlich an das Bestehen eines gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutzes geknüpft hat (BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 81/98, BVerfGE 103 S. 225). Das BVerfG hat es jedoch als Verstoß gegen Art. 3 GG angesehen, gleichermaßen schutzbedürftige Personen ohne Krankenversicherungsschutz vom Zugang zur gesetzlichen Pflegeversicherung, die als Volksversicherung angelegt ist, auszuschließen (BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 81/98, a. a. O.).
Der Gesetzgeber hat hierauf mit Schaffung des § 26a reagiert.
Verfassungsgemäß wiederum ist zur Überzeugung des Gerichts der mit der gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluss und zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrages verbundene Eingriff in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit i. S. d. Art. 2 GG (BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 2014/95, a. a. O.). Die Gesetzgebungskompetenz zur Verpflichtung privat Krankenversicherter, private Pflegeversicherungsverträge abzuschließen und aufrechtzuerhalten, sowie zu deren näherer Ausgestaltung folgt nach der Rechtsprechung des BVerfG aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG, insbesondere aus der dortigen Begrifflichkeit "privates Versicherungswesen" (BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 2014/95, a. a. O.). Der Gesetzgeber war hingegen nicht von Verfassungswegen gehalten, den zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Elften Buches privat krankenversicherten Personen ein Wahlrecht einzuräumen, der sozialen Pflegeversicherung beizutreten. Auch verlangt Art. 3 GG nicht, dass die Beiträge in der sozialen Pflegeversicherung einerseits und die Prämien in der privaten Pflegeversicherung andererseits gleich bemessen werden (jeweils BVerfG, Urteil v. 3.4.2001, 1 BvR 1681/94, 1 BvR 2491/94 und 1 BvR 24/95, BVerfGE 103 S. 271).
Zurzeit sind etwa 70,66 Mio. Menschen sozial- und 9,49 Mio. privat pflegeversichert.
2.2 Aufgabe der Pflegeversicherung
Rz. 5
Abs. 4 bestimmt den der Pflegeversicherung zugewiesenen grundsätzlichen Aufgabenbereich, nämlich den Pflegebedürftigen Hilfen zur Verfügung zu stellen, die aufgrund der Schwere der Pflegebedürftigkeit derart belastet sind, dass ein Eintreten der Solidargemeinschaft erforderlich wird. Damit soll eine Überforderung vornehmlich im Sinne finanzieller Eigenaufwendungen, aber auch der Angehörigen, vermieden oder zumindest gemildert werden. Durch diese Aufgabenzuweisung hat der Staat die Hilfe zur Pflege primär zur solidarischen und damit öffentlichen Aufgabe erklärt, wobei der subsidiäre Charakter der Sozialhilfe gleichwohl erhalten bleibt.
Nach Maßgabe von Abs. 5 (bis 31.12.2015 Abs. 4a) sollen geschlechtsspezifische Unterschiede bezüglich der Pflegebedürftigkeit von Männern und Frauen und ihrer Bedarfe an Leistungen berücksichtigt werden. Auch soll den Bedürfnissen nach einer kultursensiblen Pflege nach Möglichkeit Rechnung getragen werden. Damit reagiert der Gesetzgeber auf die gestiegene und weiter steigende Zahl pflegebedürftiger Migranten. Pflege ist dann kultursensibel, wenn sie Rücksicht nimmt auf die besondere Biographie und Herkunft des einzelnen pflegebedürftigen Menschen, seine Gewohnheiten und seine Vorlieben.
2.3 Stufenweise Einführung der Leistungen
Rz. 6
Die L...