Dr. Thomas Becker-Evermann
0 Rechtsentwicklung
Rz. 1
§ 100 wurde mit Wirkung zum 1.6.1994 durch Art. 1 PflegeVG v. 26.5.1994 (BGBl. I S. 1014) eingeführt.
1 Allgemeines
Rz. 2
§ 25 regelt die Voraussetzungen der gesetzlichen Pflegeversicherung von Familienangehörigen. Zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis gehören neben dem Lebenspartner vor allem der Ehegatte und das Kind (Angehörige). Angehörige haben keinen eigenen Mitgliedsstatus, sondern sind im Rahmen der Familienversicherung unter den Voraussetzungen des § 25 über das Mitglied beitragsfrei mitversichert. Um die Voraussetzungen der Familienversicherung in der gesetzlichen Pflegeversicherung prüfen zu können, hat die Pflegekasse alle hierzu notwendigen Informationen im Wege einer Datenerhebung einzuholen. Die datenschutzrechtliche Legitimation zur Erhebung von Daten bei Angehörigen ergibt sich aus § 94 Abs. 1 Nr. 1 und 3; die Verpflichtung zur Datenerhebung folgt aus § 99. Beide Regelungstatbestände werden ergänzt durch die Vorschrift des § 100, die aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes der Angehörigen für das Verfahren der Datenerhebung zum Nachweis der Familienversicherung zwingend festlegt, dass eine Datenerhebung bei dem Mitglied über Daten von Angehörigen nur mit deren Zustimmung zulässig ist. Mit dieser Regelung verschafft die Vorschrift dem Persönlichkeitsschutz der Angehörigen auch im Rahmen der Familienbande die nach den gesetzgeberischen Vorstellungen notwendige Geltung.
Rz. 3
Der Regelungsgehalt des § 100 entspricht im Kern der vergleichbaren Vorschrift des § 289 SGB V für den Krankenversicherungsbereich. Die praktische Bedeutung der Regelung im Bereich der Pflegeversicherung dürfte aber eher gering sein. Da die Krankenkassen nach § 50 Abs. 5 den Pflegekassen die zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Daten zu übermitteln haben und hierzu auch die von den Krankenkassen in gleicher Sache (§ 10 SGB V) nach § 289 SGB V gewonnenen Daten gehören, beschränkt sich die zur Feststellung der Familienversicherung notwendige Datenerhebung im Bereich der Pflegeversicherung bei lückenhafter Datenlage auf die für eine abschließende Prüfung noch fehlenden Daten.
2 Rechtspraxis
2.1 Verfahren der Datenerhebung
Rz. 4
Zur Prüfung und zum Nachweis der Familienversicherung nach § 25 hat die Pflegkasse die erforderlichen Angehörigendaten zu erheben. Hierbei lässt die als "Kann-Bestimmung" ausgestaltete Vorschrift die nach § 99 bestehende Verpflichtung zur Datenerhebung unberührt und stellt ausschließlich die Form der Datenerhebung in das pflichtgemäße Ermessen der Pflegekasse. Die Pflegekasse hat insoweit bei Ausübung des Ermessens grundsätzlich die Wahl, die Erhebung von Daten der Angehörigen bei diesen selbst oder mit deren Zustimmung bei dem Mitglied durchzuführen (Zustimmungsvorbehalt). Mit dem in der Vorschrift für eine zulässige Datenerhebung bei dem Mitglied normierten Zustimmungsvorbehalt trägt der Gesetzgeber dem Grundsatz Rechnung, dass Sozialdaten primär bei dem Betroffenen zu erheben sind (vgl. § 67a Abs. 2 Satz 1 SGB X) und berücksichtigt die rechtliche Eigenständigkeit von Ansprüchen aus der Familienversicherung.
Rz. 5
Angesichts des datenschutzrechtlichen Bedeutungsgehalts der Zustimmung wird man zu dessen Wirksamkeit die vorherige Einwilligung verlangen müssen (a. A. Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 100 Rz. 6; Behr, in: PflegeV-Komm., § 100 Rz. 3). Der Zustimmungsvorbehalt gilt auch für Minderjährige, soweit sie mit Vollendung des 15. Lebensjahres die soziale Handlungsfähigkeit nach § 36 Abs. 1 SGB I besitzen und keine Einschränkung des gesetzlichen Vertreters nach Abs. 2 dieser Vorschrift vorliegt (Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 100 Rz. 6). Eine Ausnahme von dem grundsätzlichen Zustimmungserfordernis wird man denknotwendig insoweit machen müssen, als die Pflegekasse nur durch eine Anfrage bei dem Mitglied das Vorhandensein etwaiger – für eine Familienversicherung in Betracht kommender – Angehöriger in Erfahrung bringen kann. Zur Dokumentation der rechtmäßig erfolgten Datenerhebung bei einem Mitglied sollte sich die Pflegekasse unter Hinweis auf die Freiwilligkeit einer solchen Erklärung das Einverständnis des betroffenen Angehörigen mit einer Datenerhebung bei dem Mitglied schriftlich bestätigen lassen. Gleichwohl ist eine bestimmte Form für die Zustimmung nicht vorgeschrieben, so dass sie auch konkludent erteilt werden kann.
Rz. 6
Aus § 100 folgt keine Verpflichtung, die Familienversicherung zu Beginn festzustellen und fortlaufend das Vorliegen der Voraussetzungen zu überprüfen. Dies ergibt sich vielmehr aus § 99 (Didong, in: Hauck/Noftz, SGB XI, § 100 Rz. 2; Behr, in: PflegeV-Komm., § 100 Rz. 5). Insoweit besteht hinsichtlich des "Ob" der Datenerhebung kein Ermessen (Didong, a. a. O., Rz. 5; Behr, a. a. O., Rz. 6).
2.2 Inhalt und Umfang der Datenerhebung
Rz. 7
Inhalt und Umfang der Datenerhebung bestimmen sich nach den materiell-rechtlichen Voraussetzungen, die § 25 an das Bestehen und die Durchführung einer Familienversicherung knüpft. Die Mittel der Datenerhebung zum Nachweis der Familienversicherung liegen im Ermessen der Pflegekasse; sie kann sich hierbei insbesonder...