Rz. 35
Die Pflegebereiche der Nr. 2 und der Nr. 3 bilden u. a. solche Kriterien ab, die bisher im Rahmen der Feststellung einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz nach § 45a (Abs. 2) a. F. erfasst waren, wenngleich in "pflegefachlich verbesserter und umfassenderer Art und Weise" (BT-Drs. 18/5926 S. 110). Es geht hier um grundlegende, im Alltag regemäßig wiederkehrende kognitive Fähigkeiten, deren Einschränkung oder Fehlen zentrale Auswirkungen auf die selbstbestimmte Lebensführung haben und bisweilen einen erheblichen Betreuungsaufwand erfordern können. Auch in diesem Pflegebereich erfolgt eine weitergehende – vierstufige – Graduierung, anders als etwa im Pflegebereich "Mobilität" kommt es hier jedoch nicht auf eine Differenzierung nach dem Grad der Selbständigkeit, sondern vielmehr auf die Frage an, ob und in welchem Maße die Fähigkeit vorhanden ist. Wie sich auch aus den jeweils aufgeführten Definitionen entnehmen lässt, sind hier somatisch bedingte Auswirkungen von Hör-, Sprech- oder Sprachstörungen bei der Bewertung zu berücksichtigen (vgl. z. B. das Kriterium "Verstehen von Aufforderungen" – F 4.2.10). Dabei ist unerheblich, ob die zu begutachtende Person die Fähigkeit verloren oder nie ausgebildet hat.
Die bereits oben genannten Ausprägungen der Bewertungsskala sind dabei wie folgt zu verstehen (vgl. Begutachtungs-Richtlinien S. 41 f.):
0 = Fähigkeit vorhanden, unbeeinträchtigt
Die Fähigkeit ist (nahezu) vollständig vorhanden.
1 = Fähigkeit größtenteils vorhanden
Die Fähigkeit ist überwiegend (die meiste Zeit über, in den meisten Situationen), aber nicht durchgängig vorhanden. Die Person hat Schwierigkeiten, höhere oder komplexere Anforderungen zu bewältigen.
2 = Fähigkeit in geringem Maße vorhanden
Die Fähigkeit ist stark beeinträchtigt, aber erkennbar vorhanden. Die Person hat häufig oder in vielen Situationen Schwierigkeiten. Sie kann nur geringe Anforderungen bewältigen. Es sind Ressourcen vorhanden.
3 = Fähigkeit nicht vorhanden
Die Fähigkeit ist nicht oder nur in sehr geringem Maße (sehr selten) vorhanden.
Rz. 36
Der Pflegebereich nach Nr. 2 erfasst im Einzelnen:
- Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld (F 4.2.1)
Gemeint ist hiermit die Fähigkeit, Personen aus dem näheren Umfeld, also Menschen, zu denen im Alltag regelmäßig ein direkter Kontakt besteht, wiederzuerkennen. Dies können z. B. Familienmitglieder, Nachbarn oder Pflegekräfte eines ambulanten Dienstes oder einer stationären Einrichtung sein (Begutachtungs-Richtlinien S. 43).
Rz. 37
Fähigkeit vorhanden: Die Person erkennt andere Personen aus ihrem näheren Umfeld unmittelbar.
Fähigkeit größtenteils vorhanden: Die Person erkennt bekannte Personen z. B. erst nach einer längeren Zeit des Kontaktes in einem Gespräch oder sie hat Schwierigkeiten, wenn auch nicht täglich, aber doch in regelmäßigen Abständen, vertraute Personen zu erkennen.
Fähigkeit in geringem Maße vorhanden: Die aus dem näheren Umfeld stammenden Personen werden nur selten erkannt oder die Fähigkeit hängt ggf. von der Tagesform ab, d. h. die Fähigkeit unterliegt im Zeitverlauf erheblichen Schwankungen.
Fähigkeit nicht vorhanden: Auch Familienmitglieder werden nicht oder nur ausnahmsweise erkannt (Begutachtungs-Richtlinien S. 43).
Rz. 38
- örtliche Orientierung (F 4.2.2)
Unter dem Kriterium der örtlichen Orientierung ist die Fähigkeit zu verstehen, sich in der räumlichen Umgebung zurechtzufinden, andere Orte gezielt anzusteuern und zu wissen, wo man sich befindet (Begutachtungs-Richtlinien S. 43 f.).
Rz. 39
Fähigkeit vorhanden: Die Person weiß, in welcher Stadt, auf welchem Stockwerk und ggf. in welcher Einrichtung sie sich befindet. Sie kennt sich in den regelmäßig genutzten Räumlichkeiten aus. Ein Verirren in den Räumlichkeiten der eigenen Wohnung oder unmittelbar im Wohnbereich einer Einrichtung kommt nicht vor und die Person findet sich auch in der näheren außerhäuslichen Umgebung zurecht. Sie weiß z. B., wie sie zu benachbarten Geschäften, zu einer Bushaltestelle oder zu einer anderen nahe gelegenen Örtlichkeit gelangt.
Fähigkeit größtenteils vorhanden: Es bestehen Schwierigkeiten, sich in der außerhäuslichen Umgebung zu orientieren, z. B. nach Verlassen des Hauses wieder den Weg zurückzufinden. In den eigenen Wohnräumen existieren solche Schwierigkeiten hingegen nicht.
Fähigkeit in geringem Maße vorhanden: Die Person hat auch in einer gewohnten Wohnumgebung Schwierigkeiten, sich zurechtzufinden. Regelmäßig genutzte Räumlichkeiten und Wege in der Wohnumgebung werden nicht immer erkannt.
Fähigkeit nicht vorhanden: Selbst in der eigenen Wohnumgebung ist die Person regelmäßig auf Unterstützung angewiesen, um sich zurechtzufinden (Begutachtungs-Richtlinien S. 43 f.).
Rz. 40
- Zeitliche Orientierung (F 4.2.3)
Zeitliche Orientierung meint die Fähigkeit, zeitliche Strukturen – also z. B. die Uhrzeit, Tagesabschnitte (Vormittag, Nachmittag, Abend etc.), Jahreszeiten und die zeitliche Abfolge des eigenen Lebens – zu erkennen. Aufschluss über die Fähigkeit zur zeitlichen Orientierung geben dab...