2.1 Allgemeine Befreiungsvoraussetzungen (Abs. 1)
Rz. 9
Die soziale Pflegeversicherung enthält, anders als die gesetzliche Krankenversicherung, für den pflichtversicherten Personenkreis keine allgemeinen Befreiungsrechte in Abhängigkeit von der jeweiligen Pflichtversicherung, wie dies in § 8 Abs. 1 SGB V vorgesehen ist; insbesondere auch nicht im Falle einer anderweitigen adäquaten Absicherung des Pflegeversicherungsrisikos. Dies entsprach und entspricht dem Anliegen des Gesetzgebers, einen möglichst großen Personenkreis in die Pflegeversicherung einzubeziehen. Das in § 22 vorgesehene Befreiungsrecht stellt (neben den Übergangsregelungen der Art. 41, 42 Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG) daher eine Ausnahmeregelung dar und eröffnet letztlich lediglich dem dort genannten Personenkreis die Wahl des Pflegeversicherungsschutzes durch die Versicherung gegen Pflegebedürftigkeit bei einem privaten Versicherungsunternehmen statt bei einer Pflegekasse.
Rz. 10
Das Befreiungsrecht nach § 22 besteht nur bei Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3, also bei einer freiwilligen Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung, und setzt das Bestehen und den Nachweis eines adäquaten privatrechtlichen Vertrages gegen Pflegebedürftigkeit bei einem Versicherungsunternehmen, der auch die sonst nach § 25 familienversicherten Angehörigen einbeziehen muss, voraus. Die Befreiung muss zudem fristgerecht beantragt und ausgesprochen werden.
2.1.1 Eintreten von Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 3
Rz. 11
Der Personenkreis der Befreiungsberechtigten ist auf die Personen beschränkt, die nach § 20 Abs. 3 versicherungspflichtig in der gesetzlichen Pflegeversicherung werden. Dies sind nur die in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig versicherten Personen. Die Begründung einer freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung ist sowohl notwendige Voraussetzung für die Versicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 als auch für das Befreiungsrecht. Der Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft bestimmt zudem den Beginn der Frist für die Befreiung nach Abs. 2.
Rz. 12
Das Befreiungsrecht steht daher Personen zu, die sich in der gesetzlichen Krankenversicherung freiwillig weiterversichern (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB V – Weiterversicherung) oder die der gesetzlichen Krankenversicherung, ohne dort unmittelbar vorher Mitglied gewesen zu sein, freiwillig beitreten (§ 9 Abs. 1 Nr. 3 bis 8 SGB V – Beitritt). Unerheblich ist, ob die freiwillige Mitgliedschaft in der Krankenversicherung darauf beruht, dass keiner der Versicherungspflichttatbestände (§ 5 SGB V) erfüllt ist oder in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherungsfreiheit (vgl. § 6 SGB V und Komm. dort), z. B. wegen der Höhe des Jahresarbeitsentgeltes, als Beamter, oder Beschäftigter mit Entgeltfortzahlung und Beihilfeansprüchen im Krankheitsfall nach beamtenrechtlichen oder ähnlichen Grundsätzen besteht oder eine dem Grunde nach bestehende Krankenversicherungspflicht wegen hauptberuflich selbstständiger Tätigkeit (§ 5 Abs. 5 SGB V) ausgeschlossen ist. Die Gründe für die freiwillige Mitgliedschaft können jedoch den Status der freiwilligen Mitgliedschaft in der Krankenversicherung bestimmen (z. B. als versicherungsfreier Beschäftigter, Beamter, Selbstständiger, nicht erwerbstätiger Ehegatte oder nur Weiterversicherter) und der krankenversicherungsrechtliche Status kann dann für die Beitragspflicht auch in der Pflegeversicherung (vgl. § 57 Abs. 4 i. V. m. § 240 SGB V) von Bedeutung sein. (Zur Feststellung der Versicherungspflicht und der Beitragsfestsetzung durch die Pflegekasse vgl. BSG, Urteil v. 6.11.1997, 12 RP 3/96)
Rz. 13
Die Begründung einer freiwilligen Krankenversicherung setzte im Regelfall, also soweit nicht die obligatorische Weiterversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintrat, bis zum 18.12.2019 nach § 188 Abs. 3 SGB V die schriftliche Beitrittserklärung gegenüber einer nach § 173 SGB V wählbaren Krankenkasse voraus. Diese Schriftform der Beitrittserklärung ist mit der Änderung des § 188 Abs. 3 SGB V durch das TSVG durch "Textform" ersetzt worden (vgl. Komm. zu § 188 SGB V). Die Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 und damit das Befreiungsrecht entstehen daher, sofern nicht (faktisch kraft Gesetzes und ohne entsprechende Willenserklärung) die obligatorische Weiterversicherung nach § 188 Abs. 4 Satz 1 SGB V eintritt, erst ab dem Zeitpunkt, zu dem die entsprechende Beitrittserklärung gegenüber einer Krankenkasse abgegeben wird, also dieser zugegangen ist (vgl. Komm. zu § 188 SGB V). Die Beitrittsfrist beträgt nach § 9 Abs. 2 SGB V i. d. R. 3 Monate in Abhängigkeit vom Ende einer Pflicht- oder Familienversicherung oder anderen die freiwillige Mitgliedschaft eröffnenden Gründen. (Zu Einzelheiten vgl. Komm. zu § 9 und § 188 SGB V.)
Rz. 14
Der Beginn der freiwilligen Mitgliedschaft und damit der Zeitpunkt des Eintretens von Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 3 ist jedoch, unabhängig vom Zeitpunkt der Beitrittserklärung, unterschiedlich geregelt. Nur grundsätzlich beginnt die freiwillige Mitgliedschaft auch mit dem Tag des Beitritts (§ 188 Abs. 1 SGB V). Nach § ...